Teil I:
Ein erster Blick in die Welt des Bauens


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Kommentar zur digitalen Neuausgabe 2019 von «Günstiger bauen»
(20 Jahre nach der erstmaligen Publikation)

Das Kapitel 1 enthält grundsätzliche und teilweise etwas philosophische Überlegungen über das Sparen im Bauwesen. Die Ausführungen sind aus meiner Sicht zeitlos und somit auch heute noch lesbar, 20 Jahre nach dem Erscheinen von «Günstiger bauen».

Nach wie vor interessant erachte ich das Beispiel zur Bandbreite der Kosten, das ich im Abschnitt 1.4 beschreibe.

Die Irrtümer über das Sparen beim Bauen (Abschnitt 1.5) sind aus meiner Sicht unverändert anregend.

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Inhalt Kapitel 1:

1.1 Zerstört Sparsamkeit die Baukultur?
1.2 Günstig bauen hilft unseren Wohlstand sichern
1.3 Vom weiten Feld des Kostensparens
1.4 Ein Beispiel zur Bandbreite der Kosten
1.5 Einige häufige Irrtümer über das Sparen

Die Absicht, günstig zu bauen, ist aus der Sicht von Bauherrschaften mit meist knappen Budgets sicher verständlich. Wer will schliesslich mehr ausgeben, als er unbedingt muss. Aber soll man das auch noch unterstützen? Führt die Sparkultur nicht zu schlechter Qualität? Handelt man sich damit nicht höhere Folgekosten ein? Schädigt man dadurch nicht gar die Umwelt? Schaufelt man mit anderen Worten der echten, der richtigen Architektur damit nicht das Grab?

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1.1 Zerstört Sparsamkeit die Baukultur?

Die Antwort ist ein klares Nein: Sparsamkeit zerstört die Baukultur keineswegs. Im folgenden wollen wir auf diese grundsätzliche Frage im Sinne eines philosophischen Exkurses etwas näher eingehen. In bezug auf das Sparsame in der Architektur prüfen wir zwei Thesen, eine milde und eine radikalere.

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Die milde These: Sparsamkeit verhindert gute Architektur nicht

Gute Architektur und günstige Kosten schliessen sich nicht gegenseitig aus, sondern sie sind unabhängig voneinander. Im Verlauf des Buches (Abschnitt 3.2: Ein Testbericht über Wohnbauten) werden wir auf eine grundlegende Studie eingehen, die sich mit diesem zentralen Thema befasst. Vorläufig nehmen wir die Hauptaussage, dass Kosten und Qualität voneinander unabhängig sind, bloss zur Kenntnis. Günstige Kosten wirken sich also nicht zwangsläufig zu Lasten der formalen und städtebaulichen Qualität, der Benutzbarkeit, der Dauerhaftigkeit, des Unterhalts oder der Umwelt aus. Negative Folgen sind bei niedrigen Kosten zwar denkbar, aber eine schlechte Lösung ist genausogut auch bei hohen Kosten möglich. Es besteht schlicht kein kausaler Zusammenhang.

Werfen wir zum besseren Verständnis einen Blick in eine ganz andere Welt, auf die Automobilindustrie. Hat hier der extreme Kostendruck, der weltweit auf der Branche lastet, die Kultur des Autobaus zerstört? Keineswegs, im Gegenteil. Die cleversten Ingenieure und Betriebswirtschafter unternehmen alles, um die Kosten laufend zu senken. Und was ist das Resultat? Die Qualität wird ständig besser, und zwar signifikant. Gleichzeitig nimmt die Umweltbelastung ab. Die Qualität hängt somit in erster Linie vom geistigen Einsatz von vielen engagierten Leuten ab – und nicht von den Kosten. Wieso sollte es im Bauwesen anders sein?

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Die radikale These: Knappe Mittel begünstigen gute Architektur

Gemäss der milden These verhindern knappe Mittel gute Architektur nicht. Man kann nun noch einen Schritt weiter gehen und postulieren, dass erst durch Sparsamkeit echte Baukunst überhaupt ermöglicht werde. Das Preisgünstige ist das Schöne: eine irritierende These?

Sehen wir uns etwas um in der Geschichte. Ein gutes Beispiel ist die traditionelle einheimische Bauernhausarchitektur. Nicht Architekten sind hier die Erbauer gewesen, sondern Handwerker. Den meisten von uns gefallen die Schöpfungen dieser anonymen Baumeister. Warum? Vermutlich weil sie in hohem Masse sparsam sind. Mit einfachen Mittel haben die damaligen Bauschaffenden versucht, primär ein Dach über dem Kopf zu schaffen. Das Material ist knapp und teuer gewesen, die Handarbeit dagegen sehr billig (heute ist es gerade umgekehrt). Konstruktionen, die sich während Generationen bewährt haben, haben die Handwerker immer wieder angewendet, bei jedem Haus um Nuancen anders und vielleicht auch immer ein wenig besser. Vielerorts haben die meisten Häuser in der traditionellen ländlichen Architektur einen ähnlichen Grundriss. Es gibt praktisch nur eine Art von Fenstergrösse und nur eine typische Dachform. Im Wesen ist diese Art von Bauen nichts anderes als das, was man heute als Typenhäuser bezeichnet. Alte Bauernhäuser sind Typenhäuser. Sie zeichnen sich aus durch eine Ästhetik der Sparsamkeit.

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Traditionelle Typenhäuser?

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Wie ist es nun in der klassischen Architektur, die nicht von anonymen Handwerkern, sondern von gebildeten Baukünstlern geschaffen worden ist? Jahrhundertelang hat sich diese eher durch Üppigkeit als durch Knappheit ausgezeichnet. Besonders ausschweifend sind etwa Barock oder Jugendstil gewesen. Aber im 20. Jahrhundert hat ein starker Drang nach dem Einfachen und Elementaren eingesetzt. Das Ornament ist durch den österreichischen Architekten Adolf Loos im Jahr 1908 buchstäblich als Verbrechen bezeichnet worden. Ein ornamentloser Baustil hat sich nach 1920 weltweit etabliert, bekannt etwa unter den Bezeichnungen «Neues Bauen» oder «International Style» (siehe auch Abschnitt 9.3A: Der Entwurf, Absatz «Exkurs: Das Neue Bauen»). Mit dem ausgewanderten jurassischen Architekten Charles Edouard Jeanneret aus La Chaux-de-Fonds, berühmt geworden unter dem Künstlernamen Le Corbusier, hat auch die Schweiz einen nicht unwesentlichen Beitrag dazu geleistet. Der deutsche Architekt Ludwig Mies van der Rohe, der später in Amerika mit Hochhäusern in klassischer Knappheit bekannt geworden ist, hat das Grundanliegen jener Zeit auf den einfachen Nenner gebracht: «Weniger ist mehr».

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Die Gewerbeschule von Hans Brechbühler in Bern (1937–1939): ein überragendes Beispiel für die klassische Knappheit in der Schweiz

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Das Gesetz der Sparsamkeit hat auch die bildende Kunst in jener Zeit geprägt. In der Malerei hat sich der holländische Maler Mondrian auf einige schwarze Linien und die Primärfarben Rot, Blau und Gelb beschränkt. Brancusi hat für die Plastik neue Massstäbe der Sparsamkeit entdeckt. Der russische Maler Malewitsch schliesslich ist ein paar Jahre vor der bolschewistischen Revolution mit dem «Schwarzen Quadrat» (notabene auf schwarzem Grund …) dem absoluten Minimum an gestalterischem Aufwand vermutlich ziemlich nahekommen.

Zusammengefasst können wir festhalten, dass Knappheit in der Vergangenheit sehr fruchtbare Auswirkungen gehabt hat, ob die Beweggründe nun wirtschaftlicher oder intellektueller Natur gewesen sind. Vielfach ist gerade die Knappheit der Auslöser für (künstlerische) Spitzenleistungen gewesen.

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Fazit: Sparsamkeit ist nicht frevelhaft

Nur einige wenige werden vermutlich die radikale These akzeptieren, dass Knappheit die Voraussetzung für Spitzenleistungen ist, insbesondere auch in der Architektur. Die meisten dürften aber mit der milderen Behauptung einverstanden sein, dass auch mit knappen Mitteln immer ein gutes Resultat möglich sein sollte. Das ist sehr beruhigend. Mit unserer kategorischen Forderung nach günstigen Kosten, die das ganze Buch durchzieht, verbauen wir den Weg zum guten Entwurf somit nicht. Wenn wir uns also vor allem auf die schnöden Kosten konzentrieren, tun wir damit zumindest nichts Frevelhaftes.

Der Autor zählt sich zu den Anhängern der radikalen These. Sparsame Lösungen sind für mich ein echtes Anliegen und eine intellektuelle Herausforderung, keineswegs aber eine lästige Pflicht. Moderne Architekturströmungen der Üppigkeit, die unter verschiedenen Markenzeichen daherkommen (Postmoderne, Dekonstruktivismus und dergleichen), empfinde ich gelegentlich als leicht dekadent.

Gerade für die Architektur hat das berühmte, bald zweihundert Jahre alte Zitat von Goethe nach wie vor seine Berechtigung:

            «In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister.»  (Goethe)

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1.2 Günstig bauen hilft unseren Wohlstand sichern

Im letzten Abschnitt haben wir die Sparsamkeit in der Architektur als ästhetische oder philosophische Frage behandelt. Es gibt aber einen ganz anderen Grund, der auf die Kosten des Bauens einwirkt: aus volkswirtschaftlichen Gründen ist preisgünstiges Bauen in hohem Masse nötig. Diesen Aspekt betrachten wir etwas näher.

Die exportorientierte Schweizer Wirtschaft leidet seit längerem unter den Folgen des teuren Produktionsstandortes. Dies führt zu einem stetigen Exodus von Arbeitsplätzen aus der Schweiz. Nicht alle Tätigkeiten sind in gleichem Masse davon betroffen. Besonders kritisch ist es für die eher einfacheren Tätigkeiten der eigentlichen Produktion wie Metallbearbeitung, Montage und so weiter, die problemlos in günstigere Länder ausgelagert werden können. Man mag einwenden, dass wir auf diese nicht angewiesen seien. Die Stärke der Schweiz seien hochqualifizierte Dienstleistungen, beispielsweise im Finanzwesen oder in der Forschung. Ich bezweifle allerdings, ob wir uns darauf verlassen dürfen. Auch bei den Dienstleistungen spielt die internationale Konkurrenz. Programmierer in Bangalore sind genauso gut wie unsere Fachleute, kosten aber nur einen Bruchteil. Und Kraftwerke kann man in den ehemaligen Ostblockländern auch planen und bauen, nicht nur bei ABB in Baden. Wenn die Schweiz die einfacheren Tätigkeiten nicht halten kann, verlieren auch die anspruchsvolleren ihren Boden. Die Arbeitslosigkeit nimmt zu.

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Das Younotent in Thun – für junge Reisende die nächstbillige Unterkunft nach dem Zelt

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Man mag nun einwenden, dass wir uns wenigstens in guter Gesellschaft befinden: die Deutschen haben schliesslich noch höhere Kosten. Das ist leider ein fataler Vergleich. Mit allen dürfen wir uns messen, nur nicht mit den wenigen, die noch schlechter dran sind als wir. Hoffentlich gibt es in Deutschland kein böses Erwachen.

Die Stunde der Wahrheit dürfte in der Schweiz in der nächsten Rezession kommen. Es ist nicht unrealistisch, dass die hohen Kosten viele Arbeitsplätze zerstören und die Arbeitslosenrate mit etwa 10% EU-Niveau erreicht. Als Folge davon gehen die jetzt schon stagnierenden Löhne real zurück, für die Lebenshaltungskosten steht laufend weniger Geld zur Verfügung, die Mieten sinken und so weiter.

Was heisst das für das Bauen? Jeder gesparte Franken ist ein kleiner Beitrag zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes Schweiz, beim Wohnen, bei Wirtschaftsbauten, bei Bauaufgaben der öffentlichen Hand und, wie das Bild zeigt, auch beim Tourismus. Daran kann man sich erinnern, wenn man beim Kostensparen auf Widerstände stösst. Günstig bauen ist nämlich keineswegs ein Sonntagsspaziergang. Neben viel Kreativität braucht es Disziplin dazu und ein konsequentes Ausnutzen der Marktkräfte. Speziell Letzteres gefällt nicht allen Marktakteuren. Wenn aber die Kosten nicht gesenkt werden können, dürften die volkswirtschaftlichen Konsequenzen noch viel bitterer sein.

Günstig bauen ist oft hart, aber es dient einer guten Sache.

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1.3 Vom weiten Feld des Kostensparens

In diesem Abschnitt verschaffen wir uns einen groben Überblick darüber, in welchem Stadium eines Bauprojektes die Kosten in welchem Ausmass beeinflusst werden können. Dieses Thema wird uns später während des ganzen Buches immer wieder beschäftigen. Den Projektablauf unterteilen wir in folgende drei Hauptphasen: Projektdefinition, Bauplanung und Realisierung.

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A. Projektdefinition

In einem ersten Schritt, vielfach als Projektdefinition bezeichnet, wird das Bauprojekt in den Grundzügen konzipiert. Anforderungen und Randbedingungen aller Art werden formuliert, ohne dass bereits ein konkreter Entwurf ausgearbeitet wird. In der Industrie bezeichnet man das Dokument, mit dem die Spezifikationen eines neues Produktes festgehalten werden, in der Regel als «Pflichtenheft». Im Bauwesen ist der Ausdruck weniger geläufig. Man spricht statt dessen meistens vom «Raumprogramm». Dieses enthält traditionellerweise primär Anforderungen an den Raumbedarf, aber stets auch weitere Spezifikationen aller Art (Medienversorgung, Ausbaustandard, Raumklima etc.).

Mit dem Pflichtenheft (Raumprogramm) sind die Kosten zwangsläufig in einer gewissen Bandbreite festgelegt. Es ist ein Merkmal eines guten Pflichtenhefts, dass die Kosten als anspruchsvolle Zielgrösse darin enthalten sind. Während professionelle Bauherrschaften mit dieser Forderung meistens keine Mühe bekunden, selbst wenn noch kein Strich am Projekt gezeichnet ist, tun sich nicht sachkundige Bauherren vielfach schwer damit. Laien als Bauherren haben nämlich gelegentlich kaum eine Vorstellung darüber, welche Kosten mit dem angestrebten Projekt verbunden sind. Aber auch wenn die Bauherrschaft die Kosten nicht kennt – mehr oder weniger festgelegt sind sie trotzdem.

Es ist eine weitverbreitete Fehlannahme, dass beim Pflichtenheft (Raumprogramm) angeblich das grösste Sparpotential liege beim Bauen. Im Gegenteil ist es so, dass man am Pflichtenheft nicht sparen kann. Es stellt die Vorgabe der Bauherrschaft dar, die in den meisten Fällen in voller Kenntnis der Kostenfolgen abgefasst wird. Wenn also eine baulustige Familie ein Einfamilienhaus mit 1 200 m3 Bauvolumen erstellen will, wird sie für eine Sparvariante von 600 m3 nicht zu begeistern sein. Es ist ähnlich wie beim Käufer eines Mercedes, der kaum empfänglich für das Argument ist, dass man mit einem Fiat Panda sparen könne. Das Pflichtenheft enthält definitionsgemäss die Vorgaben und Wünsche der Bauherrschaft.

Sparen kann man beim Pflichtenheft (Raumprogramm) nur in zwei Fällen: wenn (1) das Preisziel unzuverlässig ist oder ganz fehlt oder wenn (2) Anforderungen von Personen festgelegt werden, die selber nicht für die Kosten aufkommen müssen. Letzteres ist beispielsweise bei der öffentlichen Hand der Fall. In diesen beiden Fällen tut die Bauherrschaft gut daran, das Pflichtenheft kritisch im Auge zu behalten.

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B. Bauplanung

Während der Bauplanung werden die Vorgaben des Pflichtenheftes in eine umfassende bauliche Lösung umgesetzt. Diesen Vorgang kann man in die Teilprozesse Entwurf und Konstruktion unterteilen, sofern wir das Energiekonzept vorläufig ausklammern. Während die Bauherrschaft beim Entwurf erheblichen Einfluss nehmen kann und auch muss, ist das Feld der Konstruktion in erster Linie die Domäne der Fachleute. Im folgenden gehen wir auf beide Gebiete etwas näher ein.

Entwurf

Unter dem Entwurf verstehen wir die Entwicklung des baulichen Grundkonzepts gemäss den Vorgaben des Pflichtenhefts. Die Erfahrung zeigt, dass konzeptionell verschiedenartige Ansätze zu sehr unterschiedlichen Kosten führen können. Der Entwurfsprozess beinhaltet daher ein enormes Kostensparpotential.

Kostengünstige Lösungen zeichnen sich etwa durch folgende Punkte aus: ökonomischer Grundriss (günstiges Verhältnis zwischen Nutzflächen und Nebenflächen), zurückhaltende Fassadengestaltung mit wenigen Vor- und Rücksprüngen, einheitliches und optimiertes Tragsystem, optimale Konzeption der Haustechnik, Beschränkung auf wenige Konstruktionssysteme und dergleichen.

Viele Architekten empfinden diese Sparrezepte als einschränkend. Was sie lieben, sind dramatisch geformte, plastisch erscheinende Fassaden, extreme Gegensätze in den verwendeten Konstruktionssystemen, aufwendig gestaltete Dachlandschaften mit raffinierter Lichtführung von oben, Hallen mit vielen Durchblicken oder Schnittlösungen mit versetzten Geschossen. – Der Bauherrschaft stehen viele Möglichkeiten zur Verfügung, den Entwurf nach ihren Intentionen im Dialog mit den Planern entscheidend mitzuprägen. Später gehen wir näher darauf ein.

Konstruktion

Die Umsetzung des teilweise noch materialneutralen Entwurfs in ein ausführungsreifes Bauprojekt bezeichnet man im Bauwesen als Konstruktion. Bei einem guten Entwurf sind die Grundzüge der Konstruktion und somit die zentralen Details bereits berücksichtigt. Es geht also bei der konstruktiven Umsetzung um das Verfeinern und Optimieren eines vorhandenen Konzepts.

Die Konstruktion bietet erhebliche Möglichkeiten zur Kostenbeeinflussung. Materialien werden ausgewählt und Teilsysteme im Detail konzipiert. Oft braucht es ein gerütteltes Mass an Ingenieurarbeit, etwa bei der Statik und der Haustechnik. Entscheidend ist, dass nicht Teilsysteme für sich optimiert werden, sondern das Bauwerk als Ganzes. Das bedingt viel Kommunikation unter den beteiligten Spezialisten und vor allem eine straffe Führung.

Die Techniken zur ausführungsgerechten (und somit kostengünstigen) Konstruktion sind ähnlich wie in der Industrie. Das wohl wichtigste Prinzip besteht darin, die Anzahl der Teile, Arbeitsgänge und Vertragspartner zu minimieren. Im weiteren geht es darum, industriell hergestellte Produkte einzusetzen und den Anteil an teurer Handarbeit zu reduzieren. Die Praxis zeigt allerdings, dass die Bauwirtschaft weit hinter der Industrie herhinkt. Es gibt keinen José Ignacio Lopez wie in der Automobilindustrie, der mit eisernem Besen die Kosten senkt.

Ein bezeichnendes Detail scheint mir zu sein, dass im Bauwesen eine einheitlich Massordnung zwar existiert, sich aber seit Jahrzehnten nicht richtig durchsetzen kann. Die ganze Bauwirtschaft ist auf Spezialwünsche und Einzelanfertigungen ausgerichtet. In einem üblichen Einfamilienhaus beispielsweise ist auch heute noch fast jedes Fenster und jede Treppe eine Sonderanfertigung. Lediglich die Einbauküche ist genormt – aber nach der schweizerischen Norm, nicht nach der europäischen …

Wie wir später näher erläutern werden, ist die Baueingabe als Abschluss der Planungsphase zu betrachten (und nicht der Baubeginn). Konstruktive Fragen werden aber sowohl vor wie nach der Baueingabe behandelt. Vor der Baueingabe geht es darum, das Projekt in konstruktiver Hinsicht so weit zu konkretisieren, dass die Kosten genügend genau ermittelt werden können. Gemäss der SIA-Terminologie braucht man für diese Teilleistung etwa den Begriff «Detailstudien». Nur diesen konzeptionellen Aspekt der Konstruktion zählen wir zur Planungsphase.

Die umfangreiche Detailkonstruktion hingegen, welche das Erstellen der Ausführungspläne umfasst, gehört zur Realisierungsphase. Man bezeichnet diese ausführungsbezogene Konstruktion auch als Ausführungsplanung.

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C. Baurealisierung

Diese Phase umfasst die soeben angesprochene Ausführungsplanung, ferner den Einkauf der Bauleistungen sowie die eigentliche (physische) Bauausführung. Bei der Ausführungsplanung und beim Einkauf bestehen zwar noch gewisse Sparpotentiale, die jedoch (insbesondere was die Beschaffung betrifft) vielfach weit überschätzt werden. Was bei der Planung versäumt wurde, kann während der Realisierungsphase nur noch zum kleinen Teil korrigiert werden. Geringe Möglichkeiten zum Kostensparen bestehen etwa beim Erstellen der Ausschreibungsunterlagen, beim Ausnutzen von kreativen Ideen der Unternehmer und bei den Vertragsverhandlungen.

Während der eigentlichen Bauausführung kann man nicht mehr viel gewinnen, aber unter Umständen noch viel verlieren. Es kommt in erster Linie auf die Bauleitung an, ob die geplanten Kosten unterschritten oder mindestens eingehalten werden. Das bedingt viel solide Managementarbeit, vorausschauende Planung, ständige Kontrollen, laufende Information aller interessierten Stellen und weiteres mehr.

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Fazit: günstig bauen muss hart erarbeitet werden

Zusammenfassend kann man das Fazit ziehen, dass günstig bauen hart erarbeitet werden muss. Es ist das Resultat einer zielstrebigen, seriösen Arbeit von vielen Beteiligten während eines langen Projektablaufs. Die Bauherrschaft muss sich dabei keineswegs mit einer rein passiven Rolle beschränken. Sie hat viele interessante Möglichkeiten, die Potentiale des Kostensparens direkt zu beeinflussen. Ein gewisses Grundwissen braucht sie allerdings dazu. Es ist das Ziel dieser Publikation, die Bauherrschaft dafür zu sensibilisieren, damit sie (vielleicht) im richtigen Moment die richtige Frage stellen kann.

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1.4 Ein Beispiel zur Bandbreite der Kosten

Anhand eines Beispiels wollen wir die oben dargestellten Möglichkeiten des Kostensparens in den Projektphasen A bis C etwas vertiefen. Nehmen wir an, eine Baugesellschaft besitze in einer Agglomerationsgemeinde eine grössere Bauparzelle, auf der sie eine Wohnüberbauung erstellen will. Das maximale Bauvolumen ist durch das Baugesetz vorgegeben. Aufgrund von Marktabklärungen legt die Bauherrschaft fest, welche Typen von Wohnungen zu welchen Preisen gebaut werden sollen. Um realistische Annahmen für die Kosten zu erhalten, kommt sie in der allerersten Phase eines Projektes nicht darum herum, auf Erfahrungswerte abzustellen. Doch welche Baukosten sind als «normal» zu betrachten?

Im Wohnungsbau ist es weit verbreitet, die Baukosten anhand das Kubikmeterpreises abzuschätzen. Dieser Preis hängt von den verschiedensten Einflüssen ab (Ausbaustandard, Bauvolumen, Marktlage, Region etc.) und ist somit von Projekt zu Projekt gewissen Schwankungen unterworfen. Einen universell gültigen «normalen» Kubikmeterpreis gibt es somit nicht. Einen Anhaltspunkt für Kostenberechnungen liefert aber immerhin ein Kostenkennwert, der seit vielen Jahren vom Statistischen Amt der Stadt Zürich ermittelt wird. Er bezieht sich auf das sogenannte Indexhaus an der Limmatstrasse 184 und beträgt zurzeit (Stand 1. Oktober 1997) rund 512 Fr. pro m3 (gemäss SIA 116). Dieser Wert kann (mit vielen Einschränkungen) am ehesten als eine Art «Standard»-Kubikmeterpreis betrachtet werden.

In unserem Beispiel ist die (sachkundige) Bauherrschaft aufgrund vielfältiger Erfahrungen der Meinung, dass die Baukosten bei ihrem Projekt etwas unter den «Standardkosten» des Indexhauses liegen dürften. Sie setzt daher einen Kubikmeterpreis von 500 Fr. pro m3 in ihre Kalkulation ein.

Kostenmässig unterschiedlich ambitionierte Bauplaner reagieren nun höchst differenziert auf diesen Standardpreis im Pflichtenheft. Wir sehen uns drei typische Fachleute näher an: einen Normalarchitekten, einen Sparkünstler und einen Dogmatiker. Welche Pfade der Projektabwicklung von Entwurf bis Bauausführung schlagen sie ein?

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Sparlösung oder Architektendenkmal? Die Bandbreite der Kosten bei der Projektabwicklung

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Pfad 1: Der Normalarchitekt

Ein guteidgenössischer Normalarchitekt wickelt das Projekt unspektakulär nach traditionellen Usancen ab. Das Ergebnis kann nicht mehr als eine Normallösung zu normalen Kosten sein. Abgerechnet wird am Schluss somit zu einem Preis, der der Vorgabe im Pflichtenheft entspricht: ungefähr 500 Fr. pro m3.

Pfad 2: Der Sparkünstler

Ein Sparkünstler als Architekt wählt von Anfang an einen anderen Pfad als den Standardpfad, nämlich den Sparpfad. Am ergiebigsten ist es ganz am Anfang, nach kostensparenden Lösungen zu suchen, wenn in der Entwurfsphase das bauliche Grundkonzept entsteht. Wenn auch beim Einkauf und der Bauausführung die Kosten im Vordergrund stehen, resultiert am Schluss eine exemplarische Sparlösung. Diese kann, bei gleichem Wohnwert, durchaus 20 Prozent unter den Standardkosten liegen, wie uns später eine Studie belegen wird. In unserem Beispiel erreicht der Sparkünstler einen Kubikmeterpreis von 400 Fr. pro m3.

Pfad 3: Der Dogmatiker

Dogmatische Baukünstler haben andere Ziele als günstige Kosten. Gestalterische Gesichtspunkte gehen vor. Mit komplizierten Formen, aufwendigen Konstruktionen und teuren Materialien schaffen sie es mit Leichtigkeit, die Standardkosten um 20% oder mehr zu überschreiten. Im Beispiel resultiert ein Kubikmeterpreis von 600 Fr. pro m3. Frustrierte Bauherren machen ihrem Ärger etwa mit der Bemerkung Luft, der Architekt schaffe sich selber ein Denkmal. Architektendenkmäler sind im kommerziellen Wohnungsbau, wo unser Beispiel angesiedelt ist, zwar nicht so stark verbreitet. Bei anderen Bauaufgaben, namentlich bei Einfamilienhäusern oder Projekten der öffentlichen Hand, sind sie aber durchaus geläufig.

Welche Möglichkeiten hat nun die Bauherrschaft, wenn sie nach der Planung, aber noch vor dem Baubeginn realisiert, dass das Projekt vom richtigen Pfad abgedriftet ist und die Kosten deutlich über dem «normalen» Niveau liegen? Viel retten kann sie leider nicht mehr, sofern sie nicht nochmals von vorne beginnen will. Sie kann zwar versuchen, für die Bauausführung eine möglichst kostengünstige Lösung zu finden, indem sie vielleicht eine Generalunternehmersubmission durchführt. Weil die Kosten aber bei der Planung verursacht worden sind, kann auch eine Generalunternehmung nicht mehr viel zurechtbiegen (siehe Pfad 3 A). Ein Architektendenkmal wird nicht zu einer Sparlösung, indem man es durch eine Generalunternehmung ausführen lässt.

Ergebnis

Aus dem Beispiel geht hervor, dass der Kubikmeterpreis des teuren Architekten (Pfad 3) mit 600 Fr. pro m3 50% teurer ist als derjenige des Sparkünstlers mit 400 Fr. pro m3 (Pfad 2). Gemäss meinen Erfahrungen treten derart enorm unterschiedliche Baukosten für vergleichbare Bauvorhaben in der Praxis tatsächlich auch auf.

Fazit

Die Bauherrschaft zieht mit Vorteil ihre Lehren aus dem oben dargestellten Grundprinzip möglicher Kostenvorgaben. Sie tut gut daran, im Pflichtenheft eine anspruchsvolle Zielgrösse für die Kosten einzusetzen. Die sogenannten Standardkosten (wie auch immer man sie definieren will) sind zuwenig herausfordernd. Bei dieser Vorgabe besteht ein zu schwacher Antrieb, dass die Planer anstelle des üblichen Normalpfades 1 den sehr viel ehrgeizigeren Sparpfad 2 einschlagen. Das Kostenziel soll bei ihnen einen Adrenalinschub auslösen.

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1.5 Einige häufige Irrtümer über das Sparen

Bauen ist eine uralte Tätigkeit. Die Techniken und Gebräuche heutigen Bauens haben ihre Wurzeln in der Antike. Dank dem römischen Bauingenieur Vitruv wissen wir ziemlich genau, wie im Alten Rom gebaut worden ist. Er hat den damaligen Stand der Technik im zehnbändigen Werk «De architectura» festgehalten, das einige Jahre vor Christi Geburt erschienen ist. Heutige Bauschaffende können sich somit auf Vorbilder berufen, die wie Vitruv vor ziemlich genau 2 000 Jahren gelebt haben. Die Materialien und Techniken haben sich in der Zwischenzeit wohl geändert, die Grundprinzipien sind aber immer noch ziemlich ähnlich.

Wie kümmerlich ist im Vergleich dazu etwa die Geschichte der Computerindustrie. Der erste richtige Computer, der legendäre Z3, ist 1941 von Konrad Zuse gebaut worden, übrigens auch einem Bauingenieur. Das sind erst gut 50 Jahre her. Allerdings hat sich die Welt der Computer seit 1941 mehr verändert als das Bauen in 2 000 Jahren. Die Aufzeichnungen des Bauingenieurs Vitruv werden auch heute noch von Architekten studiert, die Aufzeichnungen von Konrad Zuse dagegen sind nur noch für Historiker von Interesse. Praktische Bedeutung haben sie nicht mehr.

Allerdings steht auch im Baugewerbe die Zeit nicht still. Speziell in den letzten Jahrzehnten hat sich einiges bewegt. Neue Technologien, Arbeitshilfsmittel und Managementmethoden haben Einzug gehalten. Die Bauwirtschaft erscheint deshalb heute als merkwürdige Mischung von alten Traditionen und neuen technologischen Errungenschaften. Es ist darum nicht verwunderlich, dass sich in der Öffentlichkeit diverse falsche Vorstellungen vom Bauen entwickelt haben. Auf einige davon wollen wir im folgenden kurz eingehen. Im Verlauf des Buches werden wir an verschiedenen Stellen darauf zurückkommen

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Irrtum 1: Qualität hat ihren Preis

Hinter dieser weitverbreiteten Meinung versteckt sich die Aussage, dass gute Architektur teuer sein dürfe oder vielleicht sogar müsse, insbesondere aber dass mit geringen Mitteln gar keine hochwertige Architektur entstehen könne. Es kann somit bedeuten, dass es kleinlich sei, beim Bauen zu stark auf den Kosten herumzureiten.

Meiner Ansicht nach gibt es keinen Zusammenhang zwischen der Qualität und dem Preis. Ein qualitativ gutes Bauwerk kann billig sein, ein qualitativ schlechtes teuer – und umgekehrt. Eine der besten Studien zu diesem Thema ist von der ETH Zürich über Wohnsiedlungen durchgeführt worden. Wir kommen später darauf zurück (siehe Abschnitt 3.2: «Ein Testbericht über Wohnbauten»). Die zentrale Aussage nehmen wir aber vorweg. Sie lautet wie folgt: «Im Gegensatz zu der landläufigen Meinung kann kein Zusammenhang zwischen Wohnqualität und Baukosten aufgezeigt werden.»

Qualität ist also nicht etwas, was besonders viel kostet. Qualität hängt nicht vom materiellen Aufwand ab, sondern in erster Linie von den Fähigkeiten der Planer. Sie ist somit quasi gratis. Diese Tatsache ist wohltuend für den Seelenfrieden von Leuten wie dem Autor, denen die Kosten stets besonders am Herzen liegen. Auf günstigen Kosten beharren heisst nicht, der Baukultur das Grab zu schaufeln.

Qualität hat keinen Preis, sie ist kostenloser Mehrwert.

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Irrtum 2: Alle Architekten bauen etwa gleich teuer

Architekten gehören zu der raren Spezies von Berufsleuten, bei denen sich Sparen im Berufsleben nicht zwangsläufig auszahlt. Wer sparsam baut, reduziert dadurch im Normalfall sein Honorar. Es wird deshalb von bösen Zungen gelegentlich behauptet, Architekten seien am günstigen Bauen gar nicht interessiert, denn teure Bauten ergäben mehr Honorar.

Dem widersprechen die Architekten und ihre Standesorganisationen natürlich heftig. In erster Linie berufen sie sich dabei auf ihre Ethik, primär die Interessen ihrer Auftraggeber wahrzunehmen und nicht ihre eigenen. Im übrigen könne es sich kein Architekt leisten, zu teuer zu bauen, weil er sonst kaum mehr Aufträge erhalte.

Wer hat recht? In einem effizienten Markt wäre es tatsächlich so, dass der teure, wenig tüchtige Architekt aus dem Markt fallen würde. Leider ist aber das Bauwesen alles andere als effizient und transparent. Verglichen etwa mit der Finanzindustrie ist die Bauwirtschaft eine Dunkelkammer. Zahlen werden häufig unter Verschluss gehalten. Transparenz existiert nur in Ausnahmefällen. Ein «Performancedenken» (wie man es im Finanzwesen bezeichnen würde) ist nicht nur schwach entwickelt, sondern in einigen Kreisen sogar verpönt. So ist es denn möglich, dass selbst absolute Profis, die seit Jahren gleichartige Bauaufgaben bearbeiten, ihre Fähigkeiten zum kostengünstigen Bauen nur beschränkt einschätzen können. Ich habe mehrere Fälle erlebt, wo sich vollmundige Behauptungen, günstiger gehe es nun wirklich nicht, als falsch herausgestellt haben. Wenn aber schon Spezialisten, die seit Jahr und Tag laufend Industriebauten, Spitäler und dergleichen bearbeiten, ihre «Performance» nicht immer richtig einschätzen können, wie soll denn ein Universalarchitekt dazu in der Lage sein, der vielleicht das erste Mal eine nicht alltägliche Aufgabe anpackt?

Gemäss meinen Erfahrungen sind die Architekten in höchst unterschiedlichem Masse in der Lage, kostengünstig zu bauen. Die Fähigkeiten dazu reichen von sehr gut bis sehr schlecht. Weil dies im Markt aber nicht bekannt ist, kann sich problemlos auch der teure halten. Wenn er trotzdem behauptet, er baue günstig, dann ist das nicht einmal gelogen: er weiss es einfach nicht. Aus dem gleichen Grund ist es auch nicht zwangsläufig so, dass ein kostenbewusster Architekt erfolgreich ist, weil auch dies dem Markt verborgen bleibt.

Bei den nichtprofessionellen Bauherren schliesslich ist verständlicherweise der Kenntnisstand noch viel magerer als bei den Architekten. Vielfach ist ihnen nicht einmal in Ansätzen klar, welcher Architekt eher günstig oder teuer baut.

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Irrtum 3: Günstige Bauten erkennt man an rohen Baumaterialien

Es gibt eine Gruppe von Architekten, die eine recht simple Vorstellung vom günstigen Bauen haben: Was günstig aussieht, erachten sie auch als günstig. Ihre Kostensparmethode beschränkt sich daher weitgehend darauf, tragende Materialien wie Mauerwerk und Beton roh zu belassen. Hauptleidtragende dieses Konzepts sind mitunter die Gipser, die bei der Arbeitsvergebung leer ausgehen.

Roh und karg erscheinende Bauten können höchst reizvoll sein. Besonders in gebildeten Kreisen gelten sie als ausgesprochen chic, während das Durchschnittspublikum doch eher Putz und Tapete vorzieht, noch lieber aber möglichst viel Holz.

Natürlich ist es nicht falsch, dass roh belassene Materialien eher eine günstige Lösung sind. Ueberbewerten darf man den Effekt aber nicht. Sorgfältig hergestellter Sichtbeton beispielsweise ist kaum billiger als eine verputze Betonwand. Und der Verzicht auf eine heruntergehängte Decke in einem Bürogebäude kann einen derartigen Rattenschwanz an Folgekosten bei anderen Bauteilen auslösen, dass man mit der roh belassenen Decke kaum günstiger fährt.

Die echten Sparpotentiale beim Bauen liegen meist ganz anderswo, bei ökonomischen Grundrissen, einfachen Geometrien, zurückhaltend verglasten Fassaden, bescheidener Haustechnik und dergleichen. Der Verzicht auf ein wenig Putz fällt kaum ins Gewicht.

Erstaunlich ist trotzdem, wie falsch das Sparpotential von rohen Baumaterialien wie Sichtbeton manchmal eingeschätzt wird. Ich kenne sehr aufwendig konzipierte Bauwerke, mit viel Glas und komplizierten Tragwerken, die aus purer Unkenntnis sogar bei der Bauherrschaft als günstig gelten.

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Irrtum 4: Ein Bau ist ein Prototyp

Diese Ausrede braucht man dann, wenn auf dem Bau etwas schiefläuft. Richtig ist, dass auf Baustellen viel zuviel nicht klappt. Falsch ist hingegen, dass ein Bauwerk ein Prototyp sei. Nur bei ganz wenigen trifft dies zu, etwa beim Zeltdach des Olympiastadions in München oder beim Tragwerk aus gegossenen Stahlteilen des Centre Pompidou in Paris. Die allermeisten Bauprojekte entsprechen hingegen dem, was man in der Industrie etwa als Variantenkonstruktion bezeichnet. Darunter versteht man eine leichte Abänderung eines Produktes an spezifische Kundenbedürfnisse, was technisch völlig problemlos bewältigt werden kann. Nur ganz wenige Dinge auf dem Bau lassen sich nicht vorhersehen und folglich nicht planen, etwa spezielle Fundationen auf schwierigem Baugrund. Ueberraschungen kann es beispielsweise auch bei Sanierungen geben.

Der ganze Rest aber ist völlig vertrautes Gebiet, mit alltäglichen Technologien, Materialien und Verfahren. Ruhig und besonnen lassen sich alle Abläufe planen. Ein Bau ist zwar durchaus ein Unikat, aber er wird erst dann zum Prototyp, wenn jemand seine Hausaufgaben nicht macht – und das passiert leider ab und zu.

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Irrtum 5: Gute Planung bedingt viele Spezialisten

Meiner Ansicht nach ist das Gegenteil der Fall: Zu viele Planer verderben den Brei. Ein Planungsteam sollte sich aus einer kleinen Gruppe von Leuten zusammensetzen, die breite Erfahrungen mitbringen und sich gegenseitig gut ergänzen. Wie schwieriger die Planung ist, desto kleiner soll das Team sein, speziell am Anfang. Es ist ähnlich wie beispielsweise bei der Softwareentwicklung, wo wirklich komplexe Aufgaben wie die Grundkonzeption von Betriebssystemen überhaupt nur von ganz kleinen Teams zu lösen sind.

Welche Leute das für ein Bauprojekt sein sollen, lässt sich nicht allgemein formulieren. Das hängt vom Projekt ab. Entscheidend ist aber, dass die zentralen Aspekte Nutzung, baulicher Entwurf und kostenmässige Optimierung bereits ganz am Anfang in voller Konsequenz einfliessen. Die Leute der Kerngruppe führen etwa die Berufsbezeichnungen Betriebsplaner (bei Eigenbedarf) oder Marketingspezialist (bei Fremdnutzung), Entwurfsarchitekt und Baukostenplaner. Mit Vorteil gehört noch ein Generalist für die Haustechnik dazu. Nicht nötig sind in der Regel die immer zahlreicheren Spezialisten, die häufig das Gefühl haben, sie müssten schon ganz am Anfang dabeisein. Dazu zähle ich etwa Bauphysiker, Energiefachleute, Umweltberater, Haustechnikkoordinatoren, Sicherheitsberater und dergleichen. Die Lösung wird vermutlich besser, wenn alle diese Aspekte in der Entwurfsphase von entsprechend qualifizierten Generalisten mit breitem Horizont eingebracht werden. So schützt man sich auch davor, dass zu viele Spezialisten aus dem Projekt eine Summe von Teiloptima machen – aber nicht ein Gesamtoptimum.

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Irrtum 6: Integral wird alles besser

Das Wort «integral» gilt heutzutage als höchstes Gütezeichen beim Bauen. Leider gibt es verschiedene Auffassungen darüber, was integral ist. Bauunternehmen bezeichnen sich als integral, wenn sie nicht nur ausführen, sondern auch selber planen. Die Planer sprechen von integraler Planung, wenn sie die Aufgabe im Team gesamtheitlich anpacken, statt dass jeder sich isoliert und möglicherweise noch phasenverschoben nur um seinen Zuständigkeitsbereich kümmert. Für Planer der Haustechnik wird es richtig integral, wenn sie Fachkoordinator spielen dürfen. Für EDV-Begeisterte ist der Zugriff auf die gemeinsame Datenbank das entscheidende Merkmal, wenn es integral sein soll. Es gibt sogar schon integrale Bauherrenbetreuer, die sich mit integralem Projektmanagement profilieren. Wohin man blickt: alles ist integral.

Viele der Marktteilnehmer, die mit dem Wort «integral» Werbung betreiben, sind zweifellos in der Lage, gut und günstig zu bauen. Sie sollen auch keineswegs schlechtgemacht werden. Das Hauptproblem scheint mir aber zu sein, dass «integral» ein derart schwammiger und nichtssagender Begriff geworden ist, dass man ihn nicht mehr verwenden sollte. In diesem Buch gebrauche ich ihn nur für integrale Bauunternehmungen vom Typ Zschokke oder Preiswerk (siehe Abschnitt 16.1 «Anbieter von baulichen Gesamtleistungen», denn diese haben (soweit ich es beurteilen kann) den Begriff geprägt – und zwar schon vor Jahrzehnten. Integral heisst in diesem Buch also: Planung und Ausführung aus der Hand einer Unternehmung, die selber physisch ausführt.

Wenn wir uns in diesem Buch mit preisgünstigem Bauen beschäftigen, kommen wir in allen anderen Fällen problemlos ohne den Begriff «integral» aus. Es gibt nicht integrale und weniger integrale Planung, sondern nur gute und schlechte.

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Irrtum 7: Der Bauherr stört beim Bauen nur

Es ist eine uralte Wunschvorstellung von Architekten, dass der Bauherr bei Baubeginn in die Ferien verreist und erst bei Bauvollendung wieder zurückkehrt. So werde, sagen die Architekten, der Bauherr beispielsweise davon abgehalten, während der Bauausführung immer wieder Aenderungen anzuordnen. – Einige böse Geister jedoch interpretieren diesen Wunsch ganz anders: Ohne Aufsicht des Geldgebers könne bei der Realisierung viel lockerer gewurstelt werden.

Völlig haltlos ist diese Behauptung nicht. Meiner Ansicht nach muss die Bauherrschaft möglichst stark sein, wenn sie günstig bauen will: präsent, informiert und kompetent während der ganzen Projektdauer. Die Bauherrschaft soll im eigenen Interesse das Projekt aktiv leiten und ihm nicht hinterherlaufen. Es genügt auch nicht, das Projekt nur zu begleiten: Aktiv leiten muss man es.

Nur starke Bauherrschaften bauen günstig.

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Irrtum 8: Wir brauchen Innovationen

Bauen ist keine Wissenschaft, wo man auf technischem Gebiet zu innovativ sein sollte. Ich persönlich wende lieber eine Technik an, die sich seit 100 Jahren bewährt hat (und zwar in unseren Breitengraden und bei unserem Klima), als eine bahnbrechende Erfindung. Zu oft sind mit Innovationen gigantische Bauschäden produziert worden. Das bekannteste Beispiel sind wohl Fassaden aus Corten-Stahl. Nach Theorie hätte sich an der Oberfläche nur eine leichte Rostschicht bilden sollen. Im amerikanischen Wüstenklima hat dies problemlos funktioniert, im feuchten schweizerischen Klima aber sind die Fassaden gleich durchgerostet und haben sich schlicht in Nichts aufgelöst (allerdings erst nach der Garantiefrist).

Es gibt noch viele andere Beispiele von innovativen Flops: einbetonierte Sanitärleitungen aus den sechziger Jahren, sogenannte dauerelastische Kittfugen aus den siebziger Jahren, gewisse Typen von verputzten Aussenisolationen aus den achtziger Jahren und weitere mehr.

Ausgesprochen empfehlenswert ist es dagegen, auf organisatorischem Gebiet innovative neue Wege zu gehen und die jahrhundertealten Trampelpfade des Bauens zu verlassen. Interessanterweise besteht hier eine sehr viel grössere Scheu. Lieber hält man sich an die liebgewordenen alten Gepflogenheiten, die man seit langem kennt.


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