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11.3 Was Bauherrschaften über Werkverträge wissen sollten (SIA-Norm 118)
In der Praxis ist in den meisten Fällen die «Handwerkernorm» SIA 118 die massgebliche Grundlage für Werkverträge. Wir gehen in diesem Abschnitt näher auf diese im Bauwesen zentrale Norm ein und machen uns dadurch mit den wichtigsten Aspekten des Werkvertragsrechtes in der Bauwirtschaft vertraut. Allerdings greife ich nur jene Punkte heraus, die aus meiner subjektiven Sicht für Bauherrschaften speziell wichtig sind. Einzelne Gebiete, die in der SIA-Norm 118 teilweise breiten Raum einnehmen (z. B. Teuerungsabrechnung), lasse ich weg. Diese Schrift ist kein Rechtshandbuch. Für eine systematische Darstellung des Werkvertragsrechtes verweise ich auf folgende Fachliteratur (Detailangaben zu den Werken siehe «Literaturverzeichnis»):
Reber, Rechtshandbuch (geschrieben für Baupraktiker)
Gauch, Werkvertrag , 4. Auflage 1996 (Standardwerk für Juristen)
Erinnern wir uns daran, dass die Bestimmungen der SIA-Norm 118 keine Gesetzeskraft haben, sondern als unverbindliche «Allgemeine Vertragsbedingungen» zu betrachten sind, herausgegeben von einem privaten Verein (SIA). Bauorgane öffentlicher Bauherrschaften (auch des Bundes) haben bei der Ausarbeitung der Norm zwar mitgemacht, aber ausdrücklich davon Abstand genommen, als (Mit-)Herausgeber aufzutreten.
Die Parteien können die Norm gesamthaft oder in Teilen in den individuellen Werkvertrag übernehmen. Jede Klausel kann gestrichen oder abgeändert werden. Davon sollte auch Gebrauch gemacht werden. Es liegt primär am Architekten, die Bauherrschaft diesbezüglich zu beraten. Es ist eine seiner wichtigsten Aufgaben, für seinen meist nicht sachkundigen Auftraggeber möglichst vorteilhafte Vertragskonditionen zu erreichen. Eine vergleichbare Beratung kann auch von einem kompetenten Bauherrenberater erwartet werden.
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A. Abschluss des Werkvertrages
Am Anfang der SIA-Norm 118 (Artikel 3 bis 22) wird dargelegt, wie ein Werkvertrag normalerweise entsteht. Es liegt auf der Hand, dass ein Bauwerkvertrag wesentlich schwieriger abzuschliessen ist als beispielsweise ein Werkvertrag mit einem Coiffeur. Bauleistungen sind vielfach komplex und bestehen aus einer grossen Anzahl Einzelleistungen, für die zudem meist keine festen Preislisten existieren. Die Preise müssen kalkuliert (berechnet) werden. In der Umgangssprache des Baugewerbes sagt man darum, ein Unternehmer «rechne», wenn er ein Angebot ausarbeitet.
Werkverträge werden im Bauwesen nach einem traditionellen, mehrstufigen Verfahren abgeschlossen, das sich im Laufe der Zeit herausgebildet hat. Man bezeichnet es auch als Submission, wobei dieser Ausdruck speziell bei Bauvorhaben der öffentlichen Hand verbreitet ist. Wir unterteilen das Verfahren in drei Schritte:
Schritt 1: Ausschreibungsunterlagen erstellen
Zuerst erstellt die Bauleitung für das Werk, das bestellt werden soll, die Ausschreibungsunterlagen. Ein Werk entspricht häufig einer Arbeitsgattung (Gipserarbeiten, Storen etc.). Mit den Ausschreibungsunterlagen wird möglichst genau und umfassend beschrieben, welche Leistung vom Unternehmer erwartet wird und an welche Bedingungen (Normen etc.) er sich zu halten hat. Zu den Ausschreibungsunterlagen gehören die vorgesehene Vertragsurkunde, meistens ein Leistungsverzeichnis sowie allenfalls diverse weitere Bestandteile (vgl. Art. 7 SIA 118). Ein Leistungsverzeichnis (umgangssprachlich als Devis bezeichnet) ist eine detaillierte Liste mit den auszuführenden Einzelarbeiten.
Schritt 2: Angebote einholen
Anhand der Ausschreibungsunterlagen arbeiten in der Regel mehrere Unternehmer für ein konkretes Werk je ein Angebot aus. Bei privaten Bauvorhaben werden die Unternehmer, die «rechnen» dürfen, nach freiem Ermessen von Bauherrschaft und Bauleitung ausgewählt. Die aufwendige Kalkulationstätigkeit der Unternehmer wird dadurch etwas erleichtert, dass sie im vorbereiteten Leistungsverzeichnis für die ausgeschriebenen Positionen nur die sogenannten Einheitspreise einsetzen müssen. Die eingereichten Angebote werden anschliessend von der Bauleitung geprüft und allenfalls bereinigt. Meistens versucht sie zudem, mit zusätzlichen Rabatten die finanziellen Konditionen zu verbessern.
Schritt 3: Bauarbeiten vergeben
Mit den geprüften und bereinigten Angeboten verfügt die Bauherrschaft über die nötigen Entscheidungsgrundlagen, um eines der Angebote auszuwählen. Es ist aber auch möglich, dass die Bauherrschaft die Vertragsverhandlungen weiterführt und der ersten Verhandlungsrunde der Bauleitung eine zweite anhängt. Mit der Vergebung der Bauarbeit an den ausgewählten (oft preisgünstigsten) Unternehmer wird der Werkvertrag rechtsverbindlich abgeschlossen. Die Vergebung kann mündlich erfolgen, oft wird sie mit einer Annahmeerklärung schriftlich bestätigt. Was jetzt noch fehlt, ist die eigentliche Vertragsurkunde. Da der Vertrag mit der Vergebung juristisch perfekt ist, kann das Erstellen der Vertragsurkunde als (beweissichernde) Formalität betrachtet werden, die nicht mehr zeitkritisch ist.
Das Abschliessen der Werkverträge ist für die Bauherrschaft ein ausgesprochen wichtiger Vorgang, der viele Möglichkeiten bietet, die Kosten günstig zu beeinflussen. An anderer Stelle gehen wir im Detail darauf ein (siehe Abschnitt 11.4 «Bauarbeiten ausschreiben» sowie Abschnitt 11.5 «Bauarbeiten vergeben»).
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B. Vollmacht der Bauleitung
Die Vollmacht des Architekten und speziell der Bauleitung haben wir bereits ausführlich bei der Besprechung des Architektenvertrages erörtert (siehe Abschnitt 8.6 «Weitere Empfehlungen zum Architektenvertrag»; Absatz «A. Vollmacht des Architekten»). Im Werkvertrag geht es nur darum, dem Unternehmer kundzugeben, was im Architektenvertrag hinsichtlich der Stellvertretungsbefugnisse vereinbart worden ist.
Zur allgemeinen Verwunderung stellt man fest, dass die Normbestimmungen zur Vollmacht in der «Handwerkernorm» SIA 118 wesentlich von den Vereinbarungen in der SIA-Ordnung 102 abweichen. Im Artikel 33.2 SIA 118 wird an den Unternehmer nämlich folgende Vollmacht kundgetan: «Soweit der Werkvertrag in der Vertragsurkunde nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt, vertritt die Bauleitung den Bauherrn gegenüber dem Unternehmer; alle Willensäusserungen der Bauleitung, die das Werk betreffen, sind für den Bauherrn rechtsverbindlich, insbesondere Weisungen, Bestellungen, Bestätigungen und Planlieferungen (…).» Einzelne Juristen betrachten diese sehr weit gefasste Vollmacht in der «Handwerkernorm» SIA 118 fast als Generalvollmacht (Schwager, in: Gauch, Architektenrecht; Seite 227).
Es ist problematisch, diesen offensichtlichen Widerspruch einfach stehen zu lassen, auch wenn es relativ selten Streitigkeiten zur Vollmacht der Bauleitung gibt. Präzisierende Vereinbarungen sind speziell bei jenen Rechtshandlungen angezeigt, wo in der SIA-Norm 118 die Stellvertretungsbefugnisse der Bauleitung zu weit gehen. Meines Erachtens trifft dies vor allem bei folgenden Punkten zu, auf die wir im weiteren Verlauf dieses Abschnittes eingehen: Regierapporte (siehe Buchstabe C), Bestellungsänderungen (siehe Buchstabe E), Schlussabrechnung (siehe Buchtabe F) sowie Abnahmen (siehe Buchstabe G). Falls bereits im Architektenvertrag Präzisierungen zur Vollmacht festgehalten worden sind, können diese unverändert in den Werkvertrag übernommen werden.
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C. Vergütung der Leistungen – fest oder ungefähr?
Es ist eine Besonderheit des Werkvertragsrechts in der Bauwirtschaft, dass die Leistungen der Unternehmer nach zwei grundsätzlich verschiedenen Methoden vergütet werden können (Art. 38 bis 57 SIA 118). Die Vergütung kann entweder fest vereinbart werden, sie kann aber auch abhängig vom Aufwand sein, den der Unternehmer treiben muss. Bei der festen Vergütung spricht man im Bauwesen häufig von Akkordarbeiten, bei der aufwandabhängigen von Regiearbeiten.
Beide Methoden der Preisbestimmung sind im Gesetz (OR) geregelt. Auf die feste Vergütung bezieht sich der Artikel 373 OR. Vermutlich nur wenige Praktiker im Baugewerbe wissen, dass auch die Regiearbeiten ihren Ursprung im Gesetz haben, und zwar im Artikel 374 OR: «Ist der Preis zum voraus entweder gar nicht oder nur ungefähr bestimmt worden, so wird er nach Massgabe des Wertes der Arbeit und der Aufwendungen des Unternehmers festgesetzt.»
Es liegt auf der Hand, dass es nicht jedermanns Sache ist, ein Werk zu bestellen, ohne den Preis im voraus fest zu vereinbaren. Die Vergütung richtet sich hier quasi nach der Tagesform des Unternehmers: arbeitet er zügig, wird das Werk günstig, trödelt er jedoch, erhöht sich die Regierechnung. Es verwundert daher nicht, dass Regiearbeiten generell etwas berüchtigt sind. Sogar gelegentliche Zaungäste des Bauens wissen eines: Vorsicht vor Regiearbeiten!
Feste Vergütung der Leistungen
Im Bauwesen ist es sehr häufig, dass bei der festen Vergütung der Leistungen sogenannte Einheitspreise vereinbart werden. Gipser, Baumeister, Elektriker, Gärtner, Bodenleger und viele andere Handwerker sind es gewohnt, mit Einheitspreisen zu rechnen.
Betrachten wir anhand eines ganz einfachen Beispiels, was es mit den Einheitspreisen auf sich hat. Nehmen wir an, in einem Raum soll ein alter PVC-Belag durch einen neuen Teppich samt neuem Holzsockel ersetzt werden. Für das auszuführende Werk erstellt die Bauleitung ein Leistungsverzeichnis, das aus drei Positionen besteht: (1) Teppich, (2) Sockel und (3) Entfernung des alten Belages. Konzentrieren wir uns zunächst auf die beiden Positionen «Teppich» und «Sockel». Für die Ausschreibung ermittelt die Bauleitung pro Position die Mengen (sogenannte Vorausmasse) und überträgt diese, meist um einige Prozente aufgerundet, ins Leistungsverzeichnis. Der Unternehmer gibt für diese beiden Positionen sein Angebot kund, indem er im Leistungsverzeichnis Einheitspreise einsetzt: 72.40 Fr. pro Quadratmeter für den Teppich und 22.60 Fr. pro Laufmeter für den Sockel.
Bei der dritten Position im Beispiel, der Entfernung des alten PVC-Belages, wird eine andere, seltenere Variante von Festpreisen gewählt: der Pauschalpreis. Bei dieser Preisart ist die geschuldete Vergütung, im Unterschied zur Methode mit Einheitspreisen, unabhängig von einer Menge. Im Beispiel verpflichtet sich der Unternehmer, den alten Belag für pauschal 300 Fr. zu entfernen. Pauschale Preise sind für beliebig grosse Leistungspakete möglich, beispielsweise für ganze Werkteile oder sogar die Gesamtheit aller Leistungen eines Unternehmers. Darauf werden wir im Kapitel 12 über das Generalunternehmerprinzip zurückkommen.
Verwandt mit dem Pauschalpreis ist der Globalpreis. Beide unterscheiden sich lediglich durch die Verrechnung der Teuerung. Beim globalen Preis wird eine (vorgängig vereinbarte) Teuerung vergütet, beim pauschalen nicht.
Bei Einheitspreisverträgen ist die Höhe der Vergütung in der Regel erst nach der Bauausführung genau bestimmbar, wenn die effektiven Mengen (Ausmasse) bekannt sind. Im Beispiel sind die effektiv ausgemessenen Mengen etwas kleiner als die Vorausmasse in der Ausschreibungsunterlage, wodurch die Abrechnungssumme (1 970.65 Fr.) die Offertsumme (2 132.20 Fr.) geringfügig unterschreitet..
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Grundprinzip von Angebot und Abrechnung mit Einheitspreisen:
Ersatz eines alten PVC-Belages durch einen neuen Teppich (Beispiel)
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Vergütung nach Aufwand (Regiearbeiten)
Bei Regiearbeiten bemisst sich die Vergütung nach dem Aufwand des Unternehmers an Arbeitszeit und Material. Typische Regiearbeiten sind Beihilfen, Reinigungsarbeiten, Ausbesserungen, unvorhergesehene Mehrleistungen und dergleichen. Im Werkvertrag werden dafür meistens lediglich die Ansätze für Arbeitsstunden und Material vereinbart, seltener die voraussichtlichen Gesamtkosten.
Regiearbeiten haben den grossen Nachteil, dass der Unternehmer durch eine speditive Arbeitsausführung nicht belohnt wird. Somit besteht immer die Gefahr, dass er sich nicht besonders anstrengt. Ein weiteres Problem liegt darin, dass die Bauleitung den Aufwand des Unternehmers kaum kontrollieren kann. Aus diesen Gründen empfiehlt es sich grundsätzlich, so viele Leistungen wie möglich nach Festpreisen zu verrechnen und Regiearbeiten auf ein Minimum zu beschränken. In der Regel hat die Bauleitung nämlich einen erheblichen Spielraum, welche Preisart sie wählt. Die Position (3) im vorangehenden Beispiel (alten PVC-Belag entfernen) hätte genau so gut in Regie verrechnet werden können, die pauschale Preisart ist jedoch vorzuziehen.
Auch wenn die Bauleitung damit rechnet, dass gewisse Arbeiten in Regie auszuführen sind, sollten sie meiner Ansicht nach nicht im Werkvertrag aufgeführt werden. Wenn ein Budget für Regiearbeiten im Werkvertrag enthalten ist, hat der Unternehmer das Gefühl, dass es für ihn bereits so gut wie genehmigt ist. Diese Erwartungshaltung sollte nicht gefördert werden. Regiearbeiten müssen, wie sich ein erfahrener Bauleiter einmal ausgedrückt hat, der Bauherrschaft grundsätzlich mühsam abgerungen werden.
Der Unternehmer darf in der Regel nicht von sich aus Regiearbeiten ausführen. Sie müssen von der Bauleitung ausdrücklich angeordnet (bestellt) werden. Regiebestellungen, insbesondere grössere, sollen vorgängig der Bauherrschaft zur Genehmigung unterbreitet werden. Der Unternehmer muss für Regiearbeiten täglich einen Regierapport erstellen. Gemäss Art. 47.2 SIA 118 hat die Bauleitung diesen Rapport zu prüfen und innert 7 Tagen unterzeichnet zurückzugeben. Die Prüfung der Regierapporte durch die Bauleitung wird sehr unterschiedlich gehandhabt. Viele Bauleiter legen eine gewisse Standfestigkeit an den Tag und unterschreiben nicht alles. Andere gehen des Weg des geringsten Widerstandes.
Schutzmassnahmen bei Regiearbeiten
Da die Bauleitung die Regierapporte unterzeichnet, hat in der Praxis die Bauherrschaft keine Kenntnis von Regiearbeiten, bis sie vom Unternehmer die Regierechnung erhält. Es ist ihr zwar auch zu diesem Zeitpunkt noch möglich, die Forderung zu bestreiten. Dies kommt auch praktisch bei jedem Bauvorhaben einmal vor. Meiner Ansicht nach ist es aber besser, wenn sie sich früher in die Überwachung der Regiearbeiten einschaltet. Eine praktikable Möglichkeit, mit der ich gute Erfahrungen gemacht habe, ist die Zweitunterzeichnung der Rapporte durch die Bauherrschaft. Bei diesem Vorgehen ist ein Regierapport erst gültig, wenn er neben der Bauleitung auch durch die Bauherrschaft visiert ist. Einerseits erhält dadurch der Bauleiter eine gewisse Rückenstärkung durch die Bauherrschaft, andererseits hat die Bauherrschaft eine gewisse Kontrolle über den Bauleiter.
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D. Das Bauhandwerkerpfandrecht
Das Bauhandwerkerpfandrecht wird in der SIA-Norm 118 nur am Rande erwähnt (Artikel 83 SIA 118). Bauhandwerker, die nicht bezahlt werden, haben eine sehr starke Waffe zur Verfügung: das Bauhandwerkerpfandrecht. Wenn ihre Werklohnforderungen nicht beglichen werden, können sie innert drei Monaten nach Arbeitsvollendung beim Grundbuchamt ein Pfandrecht eintragen lassen. Dies ist selbst dann möglich, wenn sich die Forderung gar nicht an den Eigentümer des Grundstücks richtet, sondern beispielsweise an einen Bauunternehmer. Das Grundstück, auf dessen Boden ein baulicher Mehrwert geschaffen worden ist, haftet somit als Pfand für eine fremde Schuld. Wenn die Forderung nicht beglichen wird, droht in letzter Konsequenz die Versteigerung des mit dem Pfandrecht belasteten Grundstücks. Weil das Bauhandwerkerpfandrecht speziell beim Bauen mit einem Generalunternehmer eine massive potentielle Bedrohung für die Bauherrschaft darstellt, behandeln wir es bei der Besprechung des Generalunternehmer-Werkvertrages (siehe Abschnitt 12.3 «Der Generalunternehmer-Werkvertrag»; Absatz «E. Bauhandwerkerpfandrecht»). Auch die Erfüllungsgarantie wird dort erläutert.
Allerdings dürfte das Problem der Bauhandwerkerpfandrechte vermehrt auch beim traditionellen Bauen wichtiger werden. Die Ursache dafür ist der sich abzeichnende Trend, Bauleistungen in grösseren Einheiten zu beschaffen. Die Unternehmer erbringen jedoch nicht alle Leistungen selber und bestellen Teile davon bei Subunternehmern (Unterlieferanten). Sie werden dadurch zu kleinen Generalunternehmern oder Teil-Generalunternehmern.
Die Schutzmassnahmen für die Bauherrschaft sind ähnlich wie beim reinen Generalunternehmer-Werkvertrag.
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E. Bestellungsänderungen
Im Geschäftsleben ist es meistens nicht üblich, dass Bestellungen geändert werden. Kaum einem Kunden eines Coiffeurs käme es beispielsweise in den Sinn, während des Haarschnittes auf seine Bestellung zurückzukommen und eine andere Ausführung zu verlangen.
In der Bauwirtschaft allerdings herrschen eigene Sitten. Hier sind Bestellungsänderungen an der Tagesordnung. In der SIA-Norm 118 ist der ganze dritte Abschnitt diesem Aspekt gewidmet (Artikel 84 bis 91 SIA 118). Man rechnet in der Praxis gar nicht damit, dass eine Bestellung wie vereinbart ausgeführt wird, und gesteht dem Besteller von vornherein ein einseitiges Aenderungsrecht zu. In der unnachahmlichen Fachsprache der Juristen wird dieser Brauch etwa als «überkommene Verkehrsübung im Bauwesen» bezeichnet. Wenn eine Bauherrschaft also einen Werkvertrag unterzeichnet und die SIA-Norm 118 als anwendbar erklärt, kann sie davon ausgehen, dass sie die Bestellung in eigenem Ermessen und ohne Absprache mit dem Unternehmer abändern kann (Art. 84 SIA 118). Lediglich der Gesamtcharakter der vereinbarten Leistung muss gewahrt bleiben.
Das Recht zur Bestellungsänderung ist ein verführerisches und zuweilen auch etwas gefährliches Recht. Wohl trifft es zu, dass Bestellungsänderungen nicht immer zu umgehen sind, etwa bei Sanierungen oder Bauten auf schwierigem Baugrund. Grundsätzlich sollte aber während der Bauausführung sowenig wie möglich geändert werden. Siehe dazu auch Abschnitt 6.4 «Einige Spezialfragen», Absatz «Pflichtenheft einfrieren».
Schutzmassnahmen
Rechtshandlungen, die mit finanziellen Konsequenzen verbunden sind, soll die Bauleitung grundsätzlich der Bauherrschaft zur Genehmigung vorlegen. Dies trifft bei vielen Bestellungsänderungen zu, ganz speziell bei den sogenannten Nachtragsbestellungen (= Zusatzbestellungen). Die Bauleitung soll also nicht in eigener Kompetenz grössere Bestellungsänderungen veranlassen dürfen.
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F. Das Rechnungswesen
Das System der Abrechnung der Werkverträge ist im Bauwesen relativ kompliziert. Wer auch nur flüchtig mit der Welt des Bauens vertraut ist, wird bestätigen, dass es sehr aufwendig ist, beispielsweise die Leistung eines Gipsers korrekt abzurechnen. Obwohl sich vor allem die Bauleitung um die Einzelheiten des Rechnungswesens kümmern muss und die Bauherrschaft nur (aber immerhin) die Rechnungen zu bezahlen hat, lohnt sich ein grober Überblick trotzdem. Mit dem Abrechnungssystem befasst sich der fünfte Abschnitt der SIA-Norm 118 (Art. 141 bis 156 SIA 118).
Ausmass
Es ist eine alte Tradition im Bauwesen, dass bei Werkverträgen mit Einheitspreisen die Mengen der erbrachten Leistungen, das sogenannte Ausmass, von Unternehmer und Bauleitung gemeinsam ermittelt werden. Bei den Gipserarbeiten beispielsweise messen Gipserpolier und Bauleiter gemeinsam alle Gipserarbeiten aus, teilweise mit Messband und Meter, teilweise auch ab Plan. Dabei müssen sie ein umfangreiches System von Regeln beachten, die sogenannten Ausmassvorschriften. Das Ausmessen kann Stunden oder Tage dauern. Allerdings ist es, je nach Arbeitsgattung, in neuerer Zeit mit dieser Tradition nicht mehr so weit her. Vermehrt wird das Ausmessen ganz dem Unternehmer überlassen. Die Bauleitung beschränkt sich auf Stichproben und Plausibilitätskontrollen. Man darf sich daher fragen, ob die zeitaufwendige Übung des Ausmessens nicht ganz aufgegeben werden sollte. Sinnvoller wäre es, ein genaues Vorausmass zu ermitteln und die Arbeiten pauschal zu vergeben (näheres siehe Abschnitt 11.5 «Bauarbeiten vergeben», Absatz «Pauschale Vergebungen anstreben»).
Akontozahlungen und Rückbehalt
Bei grösseren Werkverträgen ist es im Bauwesen üblich, dass der Unternehmer Anspruch auf Abschlagszahlungen (Akontozahlung) hat. Grundlage dafür ist ein Nachweis des Unternehmers über die erbrachte Leistung. Gemäss Art. 144 SIA 118 können Zahlungsbegehren monatlich gestellt werden. Ein derart schneller Rhythmus ist allerdings nur bei grossen Leistungspaketen wie den Baumeisterarbeiten sinnvoll. Bei vielen Arbeitsgattungen werden andere Zahlungsmodalitäten vereinbart. Ein typisches Beispiel dafür sind die Zahlungsbedingungen für Sonnen- und Wetterschutzanlagen, die in der entsprechenden Spezialnorm (siehe Abschnitt 11.2.«Vom Dschungel der Gesetze und Normen bei der Bauausführung»; Absatz «Spezialnormen») formuliert sind.
Normalerweise zahlt die Bauherrschaft bei Akontozahlungen nicht den vollen Gegenwert der erbrachten Leistung aus, sondern nimmt eine Reduktion vor. Diese Sicherheitsleistung des Unternehmers wird als Rückbehalt bezeichnet. Gemäss Art. 150 SIA 118 beträgt der Rückbehalt meistens 10% des Leistungswertes.
Schlussabrechnung
Spätestens zwei Monate nach Abnahme seines Werkes hat der Unternehmer die Schlussabrechnung einzureichen. Diese gibt Aufschluss über die geforderte Vergütung sowie über sämtliche gestellten Rechnungen und erhaltenen Zahlungen. Für die Prüfung steht der Bauleitung nach Art. 154.2 SIA 118 ein Monat zur Verfügung, doch werden in der Praxis häufig auch längere Fristen vereinbart. Sofern sich bei der Prüfung keine Differenzen ergeben, gilt die Schlussabrechnung gemäss Art. 154.3 SIA 118 mit dem Prüfungsbescheid der Bauleitung als «beidseitig anerkannt». – Achtung! Gemäss dem genannten Absatz 3 wird einem Unternehmer kundgetan, dass die Bauleitung die Vollmacht habe, Rechnungen anzuerkennen. Das Bundesgericht hat sich zu diesem Vorgehen schon geäussert und es als «geschäftsfremd» bezeichnet. Nur die Bauherrschaft soll Rechnungen anerkennen können.
Die Regiearbeiten sind normalerweise nicht Gegenstand der Schlussabrechnung. Regierechnungen werden üblicherweise monatlich gestellt und unabhängig von den Akkordarbeiten abgerechnet.
Schutzmassnahmen
Das letzte Wort im Rechnungswesen und speziell bei der Schlussabrechnung muss die Bauherrschaft haben – und nicht die Bauleitung. Es geht nicht an, dass die Bauleitung in eigener Kompetenz Rechnungen verbindlich anerkennt und somit die Bauherrschaft zu Zahlungen verpflichtet. Sie muss sich darauf beschränken, die Schlussabrechnung zu prüfen.
Betrachten wir dazu ein Beispiel. Während der Rohbauphase für eine Industriehalle bestellt der bauleitende Architekt Betonelemente zu spät. Diese hätten unbedingt mit dem Baustellenkran versetzt werden sollen. Damit die Elemente in einem wesentlich späteren Zeitpunkt doch noch montiert werden können, lässt die Bauleitung den Kran länger als ursprünglich vorgesehen stehen. Die Mehrmiete für den Kran beträgt 10 000 Fr. Dieser Betrag erscheint offen ausgewiesen in der Rechnung des Baumeisters.
Aus juristischer Sicht ist der Fall klar: Der Architekt hat seinen Auftrag fehlerhaft erfüllt, wofür er haftet. Aus menschlicher Sicht ist es aber nachvollziehbar, dass er den Schaden nicht gerne selber übernimmt, sondern versucht, dass die Bauherrschaft dafür aufkommt. Bei der Prüfung der Baumeisterrechnung hat die Bauleitung daher gar kein Interesse, die fragliche Position der Mehrmiete des Kranes aufzuspüren. Nur eine aufmerksame Bauherrschaft hat die Chance, bei der Kontrolle der Schlussabrechnung eine derartige Vertuschung zu erkennen. Sie wird anstreben, dass die Bauleitung den Schaden (oder wenigstens einen Teil davon) selber übernimmt. Darum ist es unerlässlich, dass bei der Genehmigung der Rechnungen die Bauherrschaft das letzte Wort hat.
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G. Abnahme des Werkes
Wenn ein Unternehmer sein Werk vollendet hat, geht es in der Regel in einem formellen Akt in die Obhut der Bauherrschaft über. Diesen Vorgang bezeichnet man als Abnahme. Sie hat innert Monatsfrist stattzufinden, nachdem der Unternehmer der Bauherrschaft oder ihrer bevollmächtigten Bauleitung die Vollendung des Werkes angezeigt hat.
Die Abnahme läuft so ab, dass das Werk von Bauleitung und Unternehmer gemeinsam geprüft wird. Allfällige Mängel werden in einem Abnahmeprotokoll festgehalten. Bei wesentlichen Mängeln wird die Abnahme zurückgestellt und wiederholt, sobald die Mängel behoben sind. Mängel gelten unter anderem dann als wesentlich, wenn sie «die Tauglichkeit des Werkes zum üblichen oder vereinbarten besonderen Gebrauch unmittelbar und erheblich beeinträchtigen» (Gauch, Werkvertrag, Seite 689 f.). Blosse Schönheitsfehler allerdings verzögern die Abnahme nicht. Mit der Abnahme beginnen wichtige Fristen zu laufen, namentlich die (meist zweijährige) Garantiefrist (Rügefrist) sowie die dreimonatige Frist zur Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechtes.
In der Regel wird das Werk von der Bauleitung geprüft und abgenommen, wobei je nach Sachgebiet (Gebäudeleittechnik, Wärmetechnik etc.) zusätzliche Experten beigezogen werden. In der Praxis ist es bei vielen Bauvorhaben kaum möglich, dass die Bauherrschaft an den Abnahmen teilnehmen kann. Diese Stellvertretung ist nicht ganz unproblematisch, weil die Abnahmeprüfung sehr gründlich durchgeführt werden soll. Eine zu grosszügige Abnahme kann sich allenfalls für die Bauherrschaft negativ auswirken, und zwar unwiderruflich. In diesem Zusammenhang ist der Artikel 163 der SIA-Norm 118 speziell wichtig. Gemäss dieser Bestimmung entfällt die Haftung des Unternehmers für einen Mangel, der von der Bauleitung bei der Abnahme zwar erkannt, aber nicht geltend gemacht wird. Anders ausgedrückt: offensichtliche Mängel, die im Abnahmeprotokoll nicht aufgeführt sind, gelten als genehmigt.
Sorgfältige Abnahmeprotokolle
Veranschaulichen wir uns die Gefahren der allzu grosszügigen Abnahme anhand eines Beispiels. Derartige Probleme sind zwar selten, aber sie können auftreten. Es ist Freitag abend, kurz vor fünf Uhr. Der Storenmonteur beeilt sich mit seiner Arbeit, damit er die Baustelle unbedingt diese Woche noch abschliessen kann. Der Bauleiter, der mit Kollegen noch ein Bier trinken möchte, drängt auf die Abnahme. Bei der gemeinsamen Prüfung des Werks (= Storen) fällt dem Bauleiter zwar auf, dass eine der pulverbeschichteten Blechgalerien etwas eingedrückt ist. Da sich die Store aber gleichwohl einwandfrei bedienen lässt, verzichtet er darauf, den Mangel im Abnahmeprotokoll aufzuführen.
Für die Bauherrschaft ist diese Unterlassung fatal. Der optisch gut sichtbare Mangel stört sie enorm. Gemäss dem Buchstaben der SIA-Norm 118 (Art. 163 SIA 118) kann sie den Storenunternehmer aber nicht mehr belangen: Offensichtliche Mängel, die nicht gerügt werden, gelten als genehmigt. Sie kann nur darauf hoffen, dass der Unternehmer aus Gründen der Kulanz den Schaden aus freien Stücken in Ordnung bringt.
Besser als ein fehlerhaftes Abnahmeprotokoll ist übrigens gar kein Protokoll. Bei einer stillschweigenden Abnahme (ohne Prüfung) kann die Bauherrschaft sämtliche Mängel bis zum Ablauf der Garantiefrist (Rügefrist) wirksam rügen. Gemäss meinen Beobachtungen ist die stillschweigende Abnahme (ohne Abnahmeprotokoll) bei vielen Arbeitsgattungen recht häufig, und ihr Anteil hat in den letzten Jahren eher noch zugenommen.
Diese Praxis ist jedoch abzulehnen, da sie meines Erachtens klar den Prinzipien der Qualitätssicherung (nach ISO 9000 ff.) widerspricht. Bei gut organisierten Planungsfirmen und insbesondere bei den zertifizierten ist es denn auch keine Frage, dass die Abnahme mit der gebotenen Sorgfalt durchgeführt und ein Abnahmeprotokoll erstellt wird.
Schutzmassnahmen
Es ist ratsam, dass die Bauherrschaft das Problem der Abnahmen mit der Bauleitung bespricht. Sie soll sich vergewissern, dass erkennbare Mängel bei der gemeinsamen Prüfung auf jeden Fall geltend gemacht werden, und zwar lieber zu viele als zu wenige. Vielleicht könnte auch eine Vereinbarung in den Werkverträgen angezeigt sein, dass Abnahmeprotokolle erst gültig sind, wenn sie zusätzlich von der Bauherrschaft unterzeichnet sind.
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H. Werkmängel, Mängelrechte und «Selbstverschulden»
Jeder Laie weiss, dass Mängel beim Bauen keine Seltenheit sind. Oft sind nervenaufreibende Verhandlungen damit verbunden: Ist es überhaupt ein Mangel? Wer ist dafür verantwortlich? Wie kann er behoben werden? Wieso muss die Bauherrschaft einen Teil des Schadens übernehmen?
Immer wieder beklagen unzufriedene private Bauherrschaften auch in den Medien das ungenügende Qualitätsdenken beim Bauen bitter. Als Beispiel unter vielen möchte ich einen vergnüglich geschriebenen Erlebnisbericht erwähnen, der 1993 in der angesehenen Wirtschaftszeitung «Finanz und Wirtschaft» zu diesem Thema erschienen ist, vom Verleger persönlich verfasst. Unter dem vielsagenden Titel «Bauen oder Wo bitte geht’s zur Klapsmühle?» berichtet er in sieben ganzseitigen Folgen über seine Abenteuer beim Bauen (Finanz und Wirtschaft, Zürich, 25. August bis 10. Oktober 1993).
Es zeigt sich auch in der juristischen Literatur, dass Baumängel im Rechtsalltag ein überaus dominantes Thema sind. Das Standardwerk von Professor Gauch zum Werkvertrag widmet von total gut 700 Seiten knapp die Hälfte dem Problem der Mängelhaftung. – Ganz anders ist die Gewichtsverteilung im vorliegenden Buch, wo ich mich bei der Besprechung der Mängelrechte auf das absolute Minimum beschränke. Viel wichtiger scheint mir zu sein, an mehreren Stellen auf vorbeugende Massnahmen hinzuweisen, um Mängel gar nicht erst entstehen zu lassen. Durch die Wahl geeigneter Planer beispielsweise besteht eine reelle Chance, den Weg zur oben genannten «Klapsmühle» vermeiden zu können.
Mängel und Mängelrechte
Grundsätzlich haftet ein Unternehmer dafür, dass sein Werk keine Mängel aufweist. Wenn Mängel festgestellt werden, stellt das Gesetz (Art. 368 OR) dem Besteller die drei klassischen Mängelrechte zur Verfügung: die Rechte auf Wandelung (Rücktritt), Minderung (Herabsetzung der Forderung) und Verbesserung. Dazu kommt in allen Fällen das Recht auf Schadenersatz. Es ist eine Besonderheit des Bauwesens, dass der Besteller aus den drei Mängelrechten nicht frei wählen kann, sondern dass ihm gemäss SIA 118 zunächst einzig das Recht auf Verbesserung zusteht (Art. 169 SIA 118). Der Unternehmer hat also immer zuerst die Chance, sein Werk zu verbessern. Erst wenn er innerhalb der angesetzten Frist den Mangel nicht behebt, kommen die anderen Mängelrechte in Betracht.
Der Begriff der Verbesserung wird in der Rechtspraxis nicht allzu eng verstanden. Wenn beispielsweise ein Baumeister eine (nichttragende) Mauer krumm ausführt, die von der Bauleitung nicht abgenommen wird, nützen alle Verbesserungen nichts: die Mauer muss abgerissen und neu aufgebaut werden. Im Sinne des Gesetzes gilt diese Neuherstellung eines Werkteiles trotzdem als Verbesserung.
«Selbstverschulden des Bauherrn»
Mitten in den Bestimmungen zu Mängelhaftung und Mängelrechten der SIA-Norm 118 befindet sich im Artikel 166 ein unscheinbarer Absatz (Art. 166.4 SIA 118). Darin ist sinngemäss die Rede, dass der Unternehmer bei «Selbstverschulden des Bauherrn» für Mängel nicht hafte. Der unbefangene Leser mag sich fragen, ob diese Bestimmung überhaupt nötig sei, denn es scheine doch ziemlich unwahrscheinlich zu sein, dass ein Bauherr einen Werkmangel selber verschulde. Irrtum! Gemäss meinen Erfahrungen gehören derartige Werkmängel, die gar nicht so selten sind, zu den heikelsten überhaupt.
In der Regel ist es nicht der Bauherr selber, der für das Selbstverschulden verantwortlich ist, sondern der Architekt, welcher als seine «Hilfsperson» gilt. Wenn also der Architekt (oder ein anderer beauftragter Planer) einen Werkmangel verursacht, kann die Bauherrschaft nicht einen Unternehmer belangen, sondern muss sich an ihren Beauftragten halten. Im Abschnitt über den Architektenvertrag habe ich diese auftragsrechtliche Haftung kurz dargestellt (siehe Abschnitt 8.6 «Weitere Empfehlungen zum Architektenvertrag», Absatz B «Verantwortlichkeit / Haftung»).
Betrachten wir anhand eines Beispiels, welche finanziellen Konsequenzen ein «Selbstverschulden des Bauherrn» haben kann. Stellen wir uns einen grösseren, bald fertigen Neubau vor. Der Baumeister muss noch einige Betonarbeiten für die Umgebungsgestaltung erstellen. Im letzten Moment bringt der Bauleiter den sehnlichst erwarteten Umgebungsplan auf die Baustelle. Leider weist der Plan ein falsches Mass auf, das der Baumeister jedoch nicht erkennen kann. Als der Bauleiter ein paar Tage später den Baufortschritt genauer überprüft, stellt er fest, dass die Betonmauern am falschen Ort stehen: fast einen Meter neben dem vorgesehenen Standort. Es gibt keine andere Lösung, als einen Presslufthammer zu holen und die Mauern wieder abzubrechen. Gesamthaft ergibt sich ein Schaden von rund 12 000 Fr.
Wie reagiert nun der Bauleiter auf diesen offensichtlichen Schaden? Er hat verständlicherweise kein Interesse daran, dass das Architekturbüro dafür aufkommen soll. Er wird vielleicht versuchen, den Schaden zu vertuschen. Dafür gibt es mindestens folgende zwei Möglichkeiten: (1) Der Bauleiter lässt den Baumeister für den Zusatzaufwand einen Regierapport schreiben. Hier besteht allerdings das Risiko, dass eine aufmerksame Bauherrschaft die Vertuschung bemerkt, wenn sie die kommentarlos eintreffende Regierechnung genauer untersucht. (2) Bauleiter und Baumeister schliessen ein mehr oder weniger stillschweigendes Übereinkommen ab und schmuggeln den Zusatzaufwand gut getarnt in die normale Rechnung ein. Somit erscheint er nicht mehr als Regierapport. Diese Möglichkeit kann weniger gut aufgedeckt werden. – Derartige Vertuschungen passieren gar nicht so selten und gelten in der Baubranche als Kavaliersdelikte. Juristisch sind es aber gravierende Fälle von Vertrauensmissbrauch, die möglicherweise sogar unter den Straftatbestand des Betrugs fallen (Schumacher, in Gauch: Architektenrecht; Seite 202).
Schutzmassnahmen
Werkmängel, die ein Unternehmer zu verantworten hat, sind im Bauwesen relativ unkritisch, sofern sich der Mangel technisch beheben lässt. Eine kompetente Bauleitung wird in der Regel dafür sorgen, dass der Schaden in Ordnung gebracht wird. Viel heikler sind Mängel, die aus Fehlern (Pflichtverletzungen) des Architekten resultieren. Oft sind es ganz kleine Fehler, die grosse Aus-wirkungen haben können. Hier besteht immer die Möglichkeit, dass der Beauftragte der Versuchung erliegt, den Schaden zu vertuschen. Die Bauherrschaft kann sich nur davor schützen, indem sie die Baustelle kritisch im Auge hat. Es liegt primär an der Bauherrschaft selber, Vertuschungen von Baumängeln zu unterbinden.
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I. Garantiefrist, Garantieschein, verdeckte Mängel
So wie industrielle Gebrauchsgüter wie Staubsauger, Armbanduhren und Autos «mit Garantie» verkauft werden, so gibt es den (recht schwammigen) Begriff der Garantie auch im Werkvertragsrecht und damit im Bauwesen. Unter der Garantie eines Unter-nehmers ist die Verpflichtung zu verstehen, Mängel am ausgeführten Werk während der Garantiefrist zu beheben. Bestimmungen zur Garantie und damit zusammenhängenden Fragen finden sich in den Artikeln 172 bis 182 der SIA-Norm 118.
Garantiefrist, Rügefrist
Im Bauwesen besteht normalerweise eine Garantiefrist von zwei Jahren (Art. 172 SIA 118), was als recht grosszügig zu betrachten ist. Sie beginnt mit der Abnahme zu laufen, wobei zu beachten ist, dass jedes Werk (Storen, Küche etc.) einen unterschiedlichen Abnahmetermin haben kann. Somit gibt es auch verschiedene Endzeitpunkte der Garantiefrist. Während der Garantiefrist kann die Bauherrschaft Mängel jederzeit rügen (Art. 173 SIA 118). Gegenüber dem Gesetz, das eine sofortige Mängelanzeige fordert (Art. 370 OR), bedeutet dies eine Besserstellung. Eine Ausnahme besteht lediglich bei Mängeln, die weiteren Schaden verursachen können wie etwa ein undichtes Dach. Derartige Mängel sind sofort zu rügen.
Obige Formulierung zur Mängelrüge ist so zu interpretieren, dass (die erwähnte Ausnahme vorbehalten) entdeckte Mängel sofort gerügt werden können, aber nicht müssen. In der Praxis wird meistens nicht sofort gerügt, sondern an zwei bestimmten Zeitpunkten. Eine erste Liste von Mängeln wird bei der Übergabe des Bauwerks an die Bauherrschaft erstellt, eine zweite vor Ablauf der Garantiefrist (Rügefrist), der sogenannten Schlussabnahme. Werke aus dem Gebiet der Haustechnik, die wie beispielsweise die Heizung eine längere Optimierungsphase benötigen, können nämlich teilweise erst auf den Zeitpunkt der Schlussabnahme richtig geprüft werden (und nicht bereits bei der Übergabe). Siehe dazu auch das an anderer Stelle angegebene Beispiel über die projektbezogene Qualitätssicherung in der Wärmetechnik (siehe Abschnitt 5.3 «Projektbezogene Qualitätssicherung; Beispiel: Projektbezogene Qualitätssicherung in der Wärmetechnik»).
Die Leitung der Garantiearbeiten liegt gemäss der Honorarordnung SIA 102 beim Architekten, und er ist auch verantwortlich, dass die zweijährige Rügefrist eingehalten wird. Als zusätzliche Sicherheit kann es sinnvoll sein, dass sich die Bauherrschaft die Liste mit den Ablaufdaten der Garantiefristen der Werke geben lässt.
Zur Erinnerung sei nochmals erwähnt, dass während der Garantiefrist Mängel nicht mehr gerügt werden können, die der Bauleitung (oder der Bauherrschaft) bei der Abnahme bekannt gewesen, aber nicht gerügt worden sind. Bei der Abnahme werden daher lieber zu viele Mängel gerügt als zu wenige.
Garantieschein
Für industrielle Serienprodukte wie etwa einen Staubsauger erhält man in der Regel eine Fabrikgarantie. In der Bauwirtschaft haben sich andere Usancen entwickelt. Es wird verlangt, dass der Unternehmer für seine Haftung während der Garantiefrist eine Sicherheit zu leisten hat (Art. 181 SIA 118). Der Normalfall der Sicherheitsleistung ist die Solidarbürgschaft einer Bank oder Versicherung. Dadurch erhält die Bauherrschaft die Gewissheit, dass für Mängel auch dann gehaftet wird, wenn der Unternehmer Konkurs geht oder stirbt. Der Haftungsbetrag beläuft sich normalerweise auf 10% der Abrechnungssumme. Die Garantiescheine werden meistens bis zum Erlöschen (Ablauf der Garantiefrist) vom Architekten verwaltet. – Eine andere Art der Sicherheitsleistung ist die Bargarantie (von z. B. 10% der Abrechnungssumme), die allerdings heute etwas antiquiert ist.
Verdeckte Mängel
Für verdeckte Mängel geht die Mängelhaftung des Unternehmers nach Ablauf der Garantiefrist weiter (Art. 179 SIA 118). Derartige Mängel sind sofort zu rügen. Der Unternehmer haftet aber nicht für Mängel, die die Bauherrschaft schon vor Ablauf der Garantiefrist hätte erkennen können. Es ist darum wichtig, dass die Schlussabnahme sorgfältig und zeitgerecht durchgeführt wird.
Mängelrechte verjähren fünf Jahre nach der Abnahme des Werkes. Die Verjährungsfrist erhöht sich auf zehn Jahre, wenn der Unternehmer den Mangel absichtlich verschwiegen hat (Art. 180 SIA 118).
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Das Allerwichtigste zu Werkverträgen – ganz kurz
1. Vertragsgrundlage
Die «Handwerkernorm» SIA 118 ist in den meisten Fällen die Grundlage für Werkverträge im Bauwesen. Obwohl sie sehr weit verbreitet ist, ist sie eine private Schöpfung und kein Gesetz. Geschickte Anwender passen sie an, um die Interessen der Bauherrschaft optimal zu wahren. – Bei kleineren Bauvorhaben kann eventuell der «Bauvertrag» (siehe Abschnitt 11.2 «Vom Dschungel der Gesetze und Normen bei der Bauausführung»; Absatz «Bauvertrag») des Schweizerischen Hauseigentümerverbandes als Vertragsgrundlage dienen: er ist mustergültig knapp und genial einfach.
2. Regiearbeiten
Regiearbeiten sind unbeliebt, weil sie von der Bauherrschaft kaum kontrolliert werden können. Mit guten Ausschreibungsunterlagen lassen sie sich weitgehend vermeiden. Die Bauherrschaft hat es in der Hand, bei unerlässlichen Regiearbeiten zusätzliche Kontrollmassnahmen vorzusehen. Näheres siehe Buchstabe C, weiter vorne («Vergütung der Leistungen – fest oder ungefähr?»).
3. Bauhandwerkerpfandrecht
Beim Bauhandwerkerpfandrecht lauern für die Bauherrschaft erhebliche potentielle Gefahren, zunehmend auch beim Bauen ohne Generalunternehmer. Sie können aber durch entsprechende Schutzmassnahmen reduziert werden. Näheres siehe Ausführungen über das Bauhandwerkerpfandrecht weiter vorne in diesem Kapitel (Buchstabe D) sowie im Abschnitt 12.3 «Der Generalunternehmer-Werkvertrag», Absatz «E. Bauhandwerkerpfandrecht».
4. Bestellungsänderungen
Es ist im Bauwesen (zu) einfach, Bestellungen zu ändern. Die Bauherrschaft soll darauf bestehen, dass abgeschlossene Werkverträge nur mit ihrer Zustimmung geändert (ergänzt) werden können. Dies betrifft insbesondere Bestellungsänderungen mit finanziellen Verpflichtungen. Näheres siehe Buchstabe E, weiter vorne.
5. Schlussabrechnung
Die Schlussabrechnung wird von der Bauleitung wohl sorgfältig geprüft – aber nicht genehmigt. Das letzte Wort soll die Bauherrschaft haben. Nur sie kann finanzielle Forderungen anerkennen – oder bestreiten. Näheres siehe Buchstabe F, weiter vorne.