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11.4 Bauarbeiten ausschreiben

In diesem Abschnitt gehen wir darauf ein, wie Ausschreibungsunterlagen für Bauleistungen erstellt werden können. Das Devisieren, wie man die Tätigkeit unter Baufachleuten bezeichnet, gilt als unspektakuläre Routinearbeit. Wie wir sehen werden, ist diese Geringschätzung nicht angebracht, denn mit guten Ausschreibungen können die Kosten nicht unerheblich beeinflusst werden.

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Das Prinzip der Ausschreibung mit Normpositionen

Wenn die Bauherrschaft für Bauleistungen von mehreren Lieferanten oder Unternehmern Angebote einholen will, benötigt sie Ausschreibungsunterlagen. Das sind Dokumente, die die gewünschten Leistungen möglichst eindeutig beschreiben. Neben Plänen kommen dafür vor allem Leistungsverzeichnisse in Frage.

Das Leistungsverzeichnis, auch Devis genannt, ist eine Liste von kleinen Arbeitsschritten, die für eine Gesamtleistung zu erbringen sind. Normalerweise entspricht der Leistungsumfang eines Devis einer Arbeitsgattung. Das Devisieren ist eine anspruchsvolle Planungsarbeit. Es braucht dazu breite technische Kenntnisse und viel Erfahrung.

Für die meisten Arbeitsgattungen existieren für die Devisierung standardisierte Ausschreibungstexte. Sie werden als Normpositionen bezeichnet. Die Sammlung aller Normpositionen ist der Normpositionen-Katalog NPK (siehe «Literaturverzeichnis»). Dieses Normenwerk ist in der Bauwirtschaft stark verbreitet. Der Normpositionen-Katalog ist ausgesprochen umfangreich und umfasst in der Papierform mehrere Ordner. Der ganze Katalog kostet um die 10 000 Franken.

Im nachfolgenden Beispiel greifen wir zur Illustration eine beliebige Normposition aus dem NKP heraus. Mit der ausgewählten Normposition wird präzis und eindeutig beschrieben, wie ein Maler einen simplen Holzanstrich ausführen soll.

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Beispiel einer Normposition aus dem Normpositionen-Katalog NPK (Malerarbeiten)

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Die Standardisierung der Leistungen der Bauwirtschaft mit Normpositionen an sich kann sicher nicht falsch sein. Bemängelt wird aber gelegentlich die ausgesprochen starke Aufsplitterung in kleinste Leistungseinheiten. In anderen Ländern werden die Leistungen summarischer beschrieben, ähnlich wie in der Schweiz vor der Einführung des Normpositionen-Kataloges.

Veranschaulichen wir uns diese Tatsache am Beispiel der Armierung einer Betondecke. In Deutschland genügen für die Spezifizierung der Armierung zwei Positionen: Betonstahl rund sowie Betonstahlmatten. In der Schweiz dagegen braucht es für den gleichen Leistungsumfang 43 Positionen. Die Leistungseinheiten gemäss NPK sind viel kleiner als in Deutschland. Beim Armierungsstahl rund beispielsweise wird jeder Durchmesser einzeln ausgeschrieben, ferner sind Zuschläge für Bearbeitungen separat zu entschädigen. (Quelle: Bundesamt für Wohnungswesen, Bern 1993, Baukosten senken im Wohnungsbau, Arbeitsberichte Wohnungswesen, Heft 27, Seite 36).

Verteuern Normpositionen das Bauen?

Die teilweise extreme Aufsplitterung der Leistungen im Normpositionen-Katalog NPK kann, so vermutet man, nicht ohne Auswirkungen sein. Von besonderem Interesse sind die Konsequenzen auf die Baukosten: baut man mit Normpositionen teurer?

Seit der Einführung der Normpositionen in breitem Umfang in den späten siebziger Jahren hört man in Fachkreisen immer wieder die Behauptung, eine sehr detaillierte Ausschreibung erhöhe die Kosten. Lange habe ich diese Vermutung abgelehnt. Heute spreche ich ihr eine gewisse Plausibilität nicht mehr ab. Die Meinung, dass detailliert ausgeschriebene Leistungen teurer sind als summarischer ausgeschriebene, wird auch im oben erwähnten Bericht vertreten.

Detaillierte Ausschreibungen mit Normpositionen haben noch einen anderen Nachteil: Der Unternehmer verlässt sich hier darauf, dass jede Einzelheit separat aufgeführt ist. Dadurch erhöht sich das Risiko für Nachforderungen. Auf den ersten Blick scheint diese Aussage nicht plausibel zu sein. Die Praxis zeigt jedoch, dass ein Unternehmer fast immer Lücken im Leistungsverzeichnis zu erkennen glaubt, wenn er nur hartnäckig genug sucht. Es ist häufig eine Ermessensfrage, ob die Bauleitung die Nachforderungen für diese angeblichen Lücken akzeptiert. – Bei summarischer ausgeschriebenen, kompletten Leistungen dagegen kann ein Unternehmer weniger einfach Nachforderungen erheben: komplett ist komplett.

Vom Paradoxon der Ausschreibungen

Übliche Ausschreibungen zeichnen sich neben der teilweise übertriebenen Auflösung in Einzelleistungen noch durch eine andere Eigenart aus. Es ist im schweizerischen Bauwesen weit verbreitet, dass die Bauarbeiten ausgeschrieben werden, bevor die Details der Ausführung klar sind. Für die Mengen (auch Ausmasse genannt) können daher im Leistungsverzeichnis nicht absolut genaue, sondern nur angenäherte Werte eingesetzt werden. Der Ersteller des Devis trachtet grundsätzlich danach, die Mengen eher zu hoch als zu tief zu schätzen. Indem er sogenannte Ausmassreserven einrechnet, kann er sich vor Kostenüberschreitungen schützen. Die effektiven Mengen, die erst nach der Bauausführung ermittelt werden, liegen dadurch unter dem Vorausmass. So erreicht die Bauleitung ihr primäres Ziel, bei der Schlussabrechnung mit einem unterschrittenen Kostenvoranschlag die Bauherrschaft zu beeindrucken.

Das charakteristische Merkmal der konventionellen Ausschreibung ist also eine merkwürdige Mischung von nur groben, ungefähren Mengen und genauen Vorgaben für die Arbeitsausführung in Form von präzis definierten Normpositionen. Meiner Ansicht nach müsste man die Schwerpunkte gerade umgekehrt setzen: genaue Mengenermittlung und exakte Vorgabe für die Qualitäten, dafür Spielräume bei der Arbeitsausführung.

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Anhand von drei Empfehlungen gehen wir im folgenden näher darauf ein, wie kostensparende Ausschreibungen konzipiert werden können.

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Empfehlung 1: Präzise Ausschreibungsunterlagen erstellen

Gute Ausschreibungsunterlagen basieren auf einer weit fortgeschrittenen Planung mit detaillierten Plänen. Dadurch ist es möglich, die Mengen präzis zu ermitteln. Ausführungsleistungen, die auf genauen Vorausmassen beruhen, können problemlos pauschal vergeben werden. Pauschale Vergebungen sind wenig anfällig auf Kostenüberschreitungen und reduzieren zudem den Arbeitsaufwand der Planer, weil mit dem Ausmessen des fertig erstellten Werkes ein kompletter Arbeitsgang entfällt.

Bei einigen Arbeitsgattungen ist es nützlich, die üblichen Ausschreibungsunterlagen in Textform (Leistungsverzeichnisse) mit Planunterlagen zu ergänzen. Dies betrifft etwa Bauteile wie Schreinerarbeiten, Treppengeländer, Fenster, Blechabwicklungen und weitere mehr. Es gibt für die Anbieter keine klarere Offertgrundlage als aussagekräftige Zeichnungen. Nachforderungen werden dadurch weniger wahrscheinlich.

Generell zeichnen sich kostensparende Ausschreibungsunterlagen, wenn man mir diese Vereinfachung erlaubt, eher durch aufwendige Zeichnungen als durch viel Text aus: Viel Text verteuert das Bauen, präzise Zeichnungen machen es günstiger. Bei der Generalunternehmerausschreibung wird dieses Prinzip (relativ wenig Text, dafür genaue Pläne) konsequent umgesetzt (siehe Abschnitt 12.3 «Der Generalunternehmer-Werkvertrag»; Absatz «B. Vertragsunterlagen»).

Beispiel einer Ausschreibungsunterlage

Nehmen wir an, für den Umbau eines altes Wohnhauses seien Schreinerarbeiten auszuschreiben. Unter anderem geht es dabei um Verkleidungen von Wänden. Die Ausführung soll dem traditionellen Erscheinungsbild von Holzverkleidungen entsprechen, mit horizontalen und vertikalen Zierleisten.

Es zeigt sich schon an diesen Zeilen, dass mit Worten komplizierte Bauleistungen wenig anschaulich beschrieben werden können. Es ist zwar ohne weiteres möglich, für eine Wandverkleidung ein Pflichtenheft zu erstellen, das nur aus Text besteht. Alle Vor- und Nebenarbeiten einschliesslich allfälliger Zuschläge müssen dabei umständlich beschrieben werden. Die Gefahr ist gross, dass man dabei etwas vergisst.

Viel eleganter ist es, komplette Bauteile wie etwa die Verkleidung eines Wandstückes im Detail zu zeichnen und als Einheit pauschal auszuschreiben. Anhand der Detailzeichnung (siehe nachfolgendes Beispiel) erkennt der Anbieter genau, welche Nebenarbeiten er in den Pauschalpreis einrechnen muss (Anpassungen an Fenster, Decken, Innenecken etc.). Missverständnisse können vermieden werden, Nachforderungen sind kaum zu erwarten. Pauschal bleibt pauschal.

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Plan für die pauschale Ausschreibung eines komplizierten Bauteils (Schreinerarbeiten; Verkleidung eines Wandstücks)

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Präzise, «wasserdichte» Ausschreibungen sind das Werk der Planungsfachleute. Die Bauherrschaft kann das Resultat nur indirekt beeinflussen, indem sie den Fachleuten eine genügend bemessene Planungszeit einräumt. Ausreichend Zeit ist das Fundament für kostensparende Ausschreibungsunterlagen.

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Empfehlung 2: Kreative Unternehmerideen ausnützen

In Leistungsverzeichnissen ist normalerweise die Art der Arbeitsausführung im Detail festgelegt. Was passiert nun, wenn ein Unternehmer die bessere Idee hat und ein Bauteil auf eine andere Art günstiger ausführen kann? Vielfach werden derartige Vorschläge gar nicht ernsthaft geprüft. Es ist bei traditionellen Ausschreibungen zwar meistens möglich, dass ein Anbieter sogenannte Unternehmervarianten einbringen kann, aber oft ist es nicht mehr als eine Alibiübung. Viele Planer haben kein Interesse an Gegenvorschlägen, weil sie dadurch nur mehr Aufwand haben und (meistens) erst noch weniger Honorar bekommen. Etliche Unternehmer haben es daher aufgegeben, eigene Vorschläge zu unterbreiten, weil oft gar nicht darauf reagiert wird.

Hier gilt es Gegensteuer zu geben. Unternehmervarianten sind eine Chance, und die Bauherrschaft hat es in der Hand, das gedeihliche Klima dafür zu schaffen. Sie kann den Anbietern klar zu verstehen geben, dass eigene Vorschläge erwünscht sind und dass die Planer sie wohlwollend prüfen werden. Die Planer ihrerseits sind zu motivieren, indem Einsparungen zusätzlich honoriert werden (siehe Abschnitt 8.8 «Spezielle Vertragsformen»; Absatz C «Konzepte mit Bonus–Malus»).

Unternehmervarianten sind bei allen Arbeitsgattungen möglich. Allerdings gibt es taugliche und untaugliche Vorschläge.

Ein guter Vorschlag

Ein Stahlbauer schlägt vor, bei einer 20 Meter hohen Halle die Stahlstützen in der Betondecke einzuspannen und nicht als Gelenk auszubilden. Ferner stellt er ein anderes Stahlprofil zur Diskussion. Der Bauingenieur rechnet den Vorschlag durch. Weil die Kosten tatsächlich geringer sind als bei der bisher vorgesehenen Lösung, erhält der Stahlbauer unter anderem aufgrund seines Unternehmervorschlags den Auftrag.

Ein untauglicher Vorschlag

Eine Montagefirma schlägt vor, für die Dachisolation anstelle der angegebenen einheimischen Wärmeisolation (Steinwolle) ein anderes, ausländisches Produkt zu verwenden. Nachforschungen ergeben aber, dass das preisgünstigere ausländische Fabrikat gravierende Qualitätsmängel aufweist. Namentlich ist festgestellt worden, dass nach wenigen Jahren die ursprüngliche Dicke von 10 cm auf die Hälfte einfallen kann. Dieser Unternehmervorschlag wird daher nicht berücksichtigt.

Das Prinzip der Unternehmervarianten gilt es zu kultivieren. Dahinter steht die Grundüberlegung, dass man zwar die allgemeinen Anforderungen (Spezifikationen) für eine bestimmte Leistung vorschreiben soll, nicht aber die technische Lösung. Anders ausgedrückt: das Ziel ist zu definieren, nicht der Weg zum Ziel.

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Empfehlung 3: Grosse Leistungspakete bilden

In der Industrie ist das Beschaffungswesen in den letzten Jahren radikal verändert worden. Die Unternehmen sind zunehmend dazu übergegangen, die Anzahl ihrer Lieferanten zu beschränken und von den wenigen übriggebliebenen umfassende Leistungspakete zu beziehen. Überaus radikale Beispiele von Beschaffungskonzepten findet man etwa in der Automobilindustrie. Es gibt heute Fabriken, die nur noch mit sieben Lieferanten auskommen.

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Fahrzeugherstellung mit nur sieben Lieferanten
(Volkswagen Brasilien, Nutzfahrzeuge, Werk Resende)

Modul 1: Chassis
Modul 2: Achsen, Bremsen, Aufhängung
Modul 3: Räder, Reifen
Modul 4: Motor, Getriebe
Modul 5: Kabine
Modul 6: Lenkung, Instrumente, Ausstattung
Modul 7: Lackierung

Quelle: Business Week vom 7. Okt. 1996, Seite 18


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Die Beschränkung auf wenige Unternehmer mit grossen Leistungspaketen kann auch im Bauwesen handfeste Vorteile bringen, und zwar für beide Seiten, Bauherr und Unternehmer.

Vorteile für die Unternehmer

Ein Unternehmer kann mit einem umfangreicheren Auftrag oft kostengünstiger arbeiten. Viel Potential für rationellere Arbeit besteht namentlich an den Schnittstellen zwischen den einzelnen Tätigkeiten. Nehmen wir an, eine einzige Unternehmung werde mit dem Auftrag für alle Oberflächenverkleidungen (Malerei, Teppiche, Plättli, Gipser etc.) betraut. Dadurch werden eine Reihe interessanter Vereinfachungen möglich. Alle Arbeitsgänge werden von der gleichen Führung koordiniert, was ein zügiges Arbeiten erlaubt. Der oft beträchtliche Reiseanteil zwischen den verschiedenen Baustellen wird reduziert. Leerläufe können minimiert werden. Aber auch die Qualität wird vermutlich besser. Der Gipser beispielsweise wird kaum die Arbeit des Malers beschädigen – und umgekehrt.

Am grössten ist der Effekt, wenn die gleichen Arbeitskräfte für mehrere zusammengehörende Tätigkeiten eingesetzt werden können. Allerdings setzt dies eine gewisse Flexibilität voraus. Leider wird Flexibilität durch das rigide schweizerische Berufsbildungssystem nicht gerade gefördert. Ein Gipser ist ein Gipser, und er muss sich überwinden, bevor er einen Pinsel in die Hand nimmt. Wenn der Gipser aber auch malt, zeigen sich plötzlich ungeahnte Möglichkeiten für ein effizientes Arbeiten. Meiner Ansicht nach dürfte das Ausführen von verschiedenen Tätigkeiten nach einer gewissen Lernphase für die Mitarbeiter auch interessanter sein. Es erhöht die Motivation. – Wieso soll das Prinzip der Gruppenarbeit, das in den letzten Jahren die industrielle Arbeitswelt so radikal verändert hat, nicht auch in der Bauwirtschaft möglich sein?

Zusammengefasst kann man also festhalten, dass grössere Arbeitspakete nicht nur Raum für effizienteres Arbeiten lassen, sondern für die Ausführenden schlicht auch interessanter sind.

Vorteile für den Bauherrn

Die Arbeit wird auch für die Bauleitung einfacher, wenn weniger Unternehmer ein grösseres Arbeitsvolumen ausführen. Um viele Schnittstellenprobleme muss sie sich nicht kümmern.

Dies zeigt sich beispielsweise bei der Leichtbaufassade eines Industriebaus, wo für die Montage in der Regel ein Gerüst benötigt wird. Die Bauleitung hat zwar die nötigen Kenntnisse, um die Fassade einerseits und das Gerüst andererseits einzeln auszuschreiben und zu bestellen. Vielfach ist es aber besser, wenn das Gerüst im Leistungsumfang des Fassadenbauers eingeschlossen wird und er sich darum kümmert. Er kann das nämlich mindestens so gut wie ein Architekt oder Bauleiter. Dadurch ist die Bauleitung aber einige Sorgen los. Der Fassadenbauer ist jetzt verantwortlich, dass das Gerüst rechtzeitig aufgestellt wird und seinen Ansprüchen genügt, insbesondere auch was die Sicherheit anbelangt. Im eigenen Interesse nimmt er diese Verantwortung vollumfänglich wahr.

Generell wird die Projektführung einfacher, wenn weniger Unternehmer zu koordinieren sind. Indem grosse Leistungspakete gebildet werden, wird ein Teil der Führungsarbeit von der Bauleitung auf die Unternehmer verlagert. Zudem nimmt der Aufwand für die Administration ab. Es gibt weniger Ausschreibungen, Abgebotsverhandlungen und Verträge und dergleichen. Man braucht weniger Zeit und produziert weniger Papier.

Nicht vergessen darf man allerdings, dass das Risiko von Bauhandwerkerpfandrechten ansteigt, wenn die Unternehmer viele Leistungen an Subunternehmer vergeben. Dagegen kann man sich aber recht gut absichern. Näheres dazu: für Einzelunternehmer  siehe Abschnitt 11.3 «Was Bauherrschaften über Werkverträge wissen sollten»; Absatz D: Bauhandwerkerpfandrecht; beim Generalunternehmermodell siehe Abschnitt 12.3 «Der Generalunternehmer-Werkvertrag»; Absatz E: Bauhandwerkerpfandrecht).

Beispiel

Am Beispiel eines kleinen Umbauvorhabens wollen wir uns mit dem Prinzip der grossen Leistungspakete vertraut machen. Kleinere Bauvorhaben und speziell Umbauten haben den Ruf, besonders teuer zu sein. Hier lohnt es sich, Unternehmer auszuwählen, denen möglichst grosse Arbeitspakete übertragen werden können. Je kleiner die Bauaufgabe ist, desto geringer soll die Anzahl der beteiligten Unternehmer sein.

Beim Umbau wird ein Stockwerk eines alten Holzhauses behindertengerecht umgebaut. Unter anderem wird ein neues Badezimmer eingerichtet und die Raumeinteilung geringfügig abgeändert. An der Fassade sind nur geringe Eingriffe nötig, und das Dach ist gar nicht betroffen. Obschon bei diesem Bauvorhaben alle üblichen Installationsarbeiten vorkommen (Sanitär, Heizung, Elektrizität), kommt man mit drei Haupthandwerkern und einigen Nebenhandwerkern aus.

Vielfach hat bei Holzhäusern der Bauschreiner die Hauptarbeit. Sein Gebiet umfasst Wandverkleidungen, Türen, Fenster, Parkettböden und dergleichen. Es ist sinnvoll, dass er ebenfalls nichttragende Leichtbauwände ausführt, wodurch man sich den Gipser erspart. Weitere zwei Haupthandwerker sind nötig für die Installationen. Der eine ist mit Vorteil ein Allrounder für Sanitär und Heizung, der andere ein Elektriker.

Neben diesen drei Haupthandwerkern sind für meist kleinere Arbeiten weitere Handwerker nötig für den Rohbau (Baumeister, Zimmermann) sowie für den Ausbau (Plättlileger, Maler). Zusammen kommt man auf fünf bis sieben Handwerker. Gemäss meinen Erfahrungen reicht diese Anzahl bei vielen Umbauten aus.

Bei ganz kleinen Bauvorhaben verzichtet der Bauherr oft auf einen Architekten. In solchen Fällen kann es sinnvoll ein, einen Haupthandwerker (beispielsweise den Schreiner) als Generalunternehmer einzusetzen (siehe Abschnitt 11.2 «Vom Dschungel der Gesetze und Normen bei der Bauausführung»; Absatz «Bauvertrag»).

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11.5 Bauarbeiten vergeben

Das Feilschen um Rabatte bei der Vergebung von Bauarbeiten gilt in vielen Kreisen als Inbegriff des Kostensparens. In diesem Abschnitt gehen wir darauf ein, was es damit auf sich hat und was die Bauherrschaft zur Arbeitsvergebung beitragen kann.

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Der übliche Ablauf bei der Arbeitsvergebung

Zuerst wollen wir uns einen Überblick verschaffen, wie Arbeitsvergebungen normalerweise ablaufen und welche Vorarbeiten damit verbunden sind. Gehen wir davon aus, dass eine Anzahl Anbieter Offerten für eine bestimmte Arbeitsgattung ausgearbeitet haben. Bei privaten Bauvorhaben werden die Offerten in der Regel direkt bei der Bauleitung eingereicht (und nicht bei der Bauherrschaft), obwohl die Bauherrschaft später Vertragspartnerin der Unternehmer sein wird.

Zunächst werden die eingegangenen Offerten von der Bauleitung geprüft. Unklarheiten werden beseitigt und Rechenfehler korrigiert. Aufgrund der bereinigten Offerten wird ein erster Offertvergleich erstellt. Anhand dieser Unterlage wird entschieden, mit welchen Unternehmern weitere Verhandlungen geführt werden sollen. Es ist eine weitverbreitete Sitte im Bauwesen, vor der Auftragsvergebung den Anbietern die Chance zu geben, den Preis nochmals anzupassen. Ein Preiszugeständnis nach der Abgabe der Offerte bezeichnet man als Abgebot. Neben dem Preis werden im Rahmen der Vertragsverhandlungen meistens noch eine ganze Reihe weiterer Vertragsbestandteile besprochen und bereinigt, etwa Termine oder Zahlungsbedingungen. Diese Vereinbarungen werden in einem formularartigen Verhandlungsprotokoll festgehalten, das beim ausgewählten Anbieter später Bestandteil des Werkvertrages wird.

Nach den Vertragsverhandlungen erstellt die Bauleitung einen aktualisierten Offertvergleich. Zusätzlich nimmt sie bei Bedarf weitere Abklärungen vor (Bonität überprüfen, Referenzen einholen, Qualität der letzten Aufträge beurteilen etc.). Jetzt hat die Bauherrschaft die nötigen Informationen, um den Vergebungsentscheid fällen zu können.

Einige Bauherrschaften wollen sich aber nicht mit dem letzten Entscheid begnügen, sondern selber aktiv in die Vertragsverhandlungen eingreifen. Was ist davon zu halten? Meiner Ansicht nach sollten sich entsprechend interessierte Bauherrschaften ein aktives Mittun nicht entgehen lassen.

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Wieso die Bauherrschaft oft besser verhandelt als Profis

Es ist durchaus möglich, dass die Bauherrschaft die Vertragsverhandlungen mit den Unternehmern aktiv mitgestaltet. Einige Bauherren sind geradezu prädestiniert dafür. Ich denke da beispielsweise an Industrieunternehmen. Wenn diese bauen, kaufen sie die Bauleistungen vielfach über ihre eigenen Einkaufsorganisationen ein. Gemäss meinen Erfahrungen erreichen sie oft bessere Konditionen als die Planer. Die ausgebufften Einkäufer im Industriebereich scheinen somit beim Einkaufen von Bauleistungen ebenfalls ihre Qualitäten zu haben. – Aber auch nicht sachverständige Privatpersonen können bei ihren eigenen Bauvorhaben durchaus gute Einkäufer sein. Geborene Händler findet man unter Angehörigen jedes bürgerlichen Berufes.

Neben dem rein kaufmännischen Geschick gibt es noch einen ganz anderen Grund, wieso Laien bessere Verhandlungsergebnisse erreichen können als Baufachleute. Sie stehen nämlich ausserhalb der Baubranche und müssen auf niemanden Rücksicht nehmen. Sie gehören, etwas weniger schmeichelhaft ausgedrückt, nicht zur Baumafia. Zwischen Architekten und Handwerkern bestehen gelegentlich unsichtbare Bande, die ein Bauherr nicht erkennen kann. Vielleicht ist der Architekt mit dem Elektriker A im gleichen Baukonsortium und mit dem Baumeister B in der gleichen Partei. Damit soll aber keineswegs gesagt sein, dass die Baubranche ein einziger Interessenklüngel sei. Die meisten Baufachleute sind korrekt. Es gibt sogar hyper-korrekte darunter, die als Kundengeschenk zu Weihnachten nicht einmal eine Flasche Wein akzeptieren, um ihre Neutralität nicht aufs Spiel zu setzen. – Das Problem ist lediglich, dass die Bauherrschaft vorher nicht weiss, mit wem sie es zu tun hat.

Daraus soll die private Bauherrschaft nicht die Empfehlung ableiten, dass sie sich unbedingt selber um Vertragsverhandlungen mit Anbietern kümmern soll. Aber wenn sie Lust darauf hat, darf sie es getrost tun. Vermutlich wird es sich lohnen. Falls sie sich dazu entschliesst, folgt der normalen (ersten) Abgebotsrunde eine weitere. Die erste wird von der Bauleitung bestritten, die zweite von der Bauherrschaft. Grundlage für die Verhandlungen ist ein Offertvergleich, der von der Bauleitung erstellt wird. Im nächsten Absatz ist ein Beispiel dargestellt.

Einen wichtigen Punkt muss die Bauherrschaft allerdings beachten, wenn sie sich an den Vertragsverhandlungen beteiligt. Bauherren sind in der Regel Laien und können allfällige Konzessionen von technisch versierten Verhandlungspartnern kaum beurteilen. Vielleicht reduziert ein Anbieter die Preise nicht generell, sondern nur bei einigen ausgewählten Positionen. Möglicherweise schlägt er ein anderes Vorgehen vor. In solchen Fällen tut die Bauherrschaft gut daran, mindestens das letzte Gespräch mit dem Unternehmer vor dem formellen Vertragsabschluss zusammen mit der Bauleitung zu führen. Noch besser ist es, wenn die Bauleitung bei allen Vergebungsbesprechungen anwesend ist.

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Der Offertvergleich als Basis der Arbeitsvergebung

Der Offertvergleich (auch Preisspiegel genannt) ist ein wichtiges Arbeitsinstrument für die Bauherrschaft. Er dient als Entscheidungsgrundlage für die Arbeitsvergebung und nützt ihr bei allfälligen vorgängigen Verhandlungen.

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Beispiel eines Offertvergleichs für Baumeisterarbeiten

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Die Bauherrschaft hat Anspruch auf einen sauberen Offertvergleich, und sie soll sich nicht dazu drängen lassen, den Vergebungsentscheid ohne ihn zu fällen. Die Baupraxis sieht leider nicht immer so aus. Einmal habe ich den ziemlich ratlosen Bauherrn eines Einfamilienhauses getroffen, vor sich einen Ordner randvoll mit Offerten. Der Architekt hat ihm vor seiner Abreise in die Ferien den Ordner in die Hand gedrückt. Mit den nicht bereinigten Originalofferten hat sich nun der bedauernswerte Bauherr darangemacht, die geeigneten Angebote für Baumeister, Zimmermann und Gipser auszuwählen – ohne Offertvergleich.

Bauherren sind Laien. Offerten sind für sie grundsätzlich nicht lesbar. Das richtige Arbeitsinstrument sind Offertvergleiche, und um mehr braucht sich die Bauherrschaft nicht zu kümmern.

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Pauschale Vergebungen anstreben

Angebote für Bauleistungen bestehen oft aus umfangreichen Leistungsverzeichnissen. Die Anbieter setzen Position für Position Einheitspreise in die Offerten ein. Bei vielen Arbeitsgattungen ist es nun möglich und sinnvoll, im Rahmen der Vertragsverhandlungen eine pauschale Vergebung anzustreben. Die Umwandlung eines Angebots mit vorwiegend Einheitspreisen in einen Werkvertrag mit pauschaler Vergütung wird in der Literatur etwa als «Pauschalierung von Einheitspreisverträgen» bezeichnet. Die Vergebung zu einem pauschalen Preis hat den Hauptvorteil, dass die Risiken im Hinblick auf Kostenüberschreitungen reduziert werden können: Nachforderungen infolge angeblich unklarer Einzelpositionen sind weniger wahrscheinlich, und Regiearbeiten können zum grossen Teil ausgeschlossen werden. Zudem erübrigt sich das Ausmessen.

Meiner Ansicht nach ist es zu empfehlen, das Angebot (wie oben beschrieben) in Form von Einheitspreisen einzuholen und nicht als sogenanntes Gesamtpreisangebot, das nur aus einer Zahl besteht. Offertanalysen können bei detaillierten Angeboten viel leichter durchgeführt werden. Zudem ist es einfacher, bei Bestellungsänderungen allfällige Nachtragspreise festzulegen.

Die Pauschalierung von Einheitspreisverträgen ist bei den meisten Arbeitsgattungen möglich: Baumeisterarbeiten, Stahlbau, Heizung, Lüftung, Bodenbeläge und weitere mehr. Es können sogar Malerarbeiten bei Umbauten und Renovationen pauschal vergeben werden. Voraussetzung bei allen Pauschalierungen ist allerdings, dass bereits die Ausschreibung im Hinblick auf eine pauschale Arbeitsvergebung angefertigt wird. Die zu erbringenden Leistungen müssen hinsichtlich Art, Umfang und Qualität eindeutig beschrieben sein. Ferner sollen die Mengen keine (oder offen ausgewiesene) Ausmassreserven enthalten. Es muss auch eine gewisse Gewähr vorhanden sein, dass am Projekt nicht mehr viel geändert wird.

Es empfiehlt sich, den Anbietern die Grundlagen der Massenermittlung (und nicht nur die Ergebnisse) zu überlassen oder ihnen wenigstens Einblick zu gewähren. In der Schweiz existiert diesbezüglich keine spezielle Tradition. In anderen Ländern allerdings, wo die pauschale Vergebung viel häufiger ist, werden Massenauszüge mit einem hohen Grad an Professionalität erstellt. Diese wichtigen Arbeitsunterlagen sind sehr transparent und erleichtern es dem Anbieter, sich auf eine pauschale Leistungserbringung zu verpflichten.

Offene Abrechnung von Einzelpositionen

Manchmal kann es angezeigt sein, gewisse Teilleistungen aus dem pauschalen Leistungspaket herauszunehmen. Nehmen wir an, zum Zeitpunkt der Ausschreibung der Baumeisterarbeiten sei noch nicht klar, welche Art der Armierung für eine Bodenplatte einer Industriehalle gewählt wird. Es empfiehlt sich in diesem Fall, die Armierung nach Aufwand offen abzurechnen. Wenn eine Leistung hinsichtlich Quantität oder Qualität nicht genau beschrieben werden kann, sollte sie nicht pauschalisiert werden. Andernfalls übernimmt eine der Vertragsparteien unkalkulierbare Risiken.

Viele der Leistungen dagegen, die bei Einheitspreisverträgen oft in Regie abgerechnet werden, können in den Pauschalpreis eingeschlossen werden. Ein typisches Beispiel sind die sogenannten Zuputzarbeiten des Baumeisters. Zuputzarbeiten sind nötig, um die Aussparungen in Wänden und Decken nach dem Verlegen der Installationen wieder zu schliessen. Ein Blick in die entsprechenden Pläne (Aussparungsplan, Leitungsführungsplan) gibt dem anbietenden Unternehmer Aufschluss über den Umfang der Arbeiten. Weil der Aufwand daher kalkuliert werden kann, darf auch eine pauschale Verrechnung verantwortet werden.

Bei seriösen Ausschreibungen und detaillierten Plänen gibt es nicht viele Arbeiten, die nur in Regie und nicht pauschal abgerechnet werden können. Der Autor hat schon aufwendige Schreinerarbeiten für Umbauten pauschal vergeben, die diverse Ausbesserungen und Anpassungen an der vorhandenen alten Bausubstanz enthalten haben. Dieses Vorgehen ist nach getaner Arbeit von beiden Vertragsparteien als gute Lösung bezeichnet worden.

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Von Preisabsprachen, Tiefpreisen und Unternehmerklauseln

Im folgenden wollen wir einige Fragen aufgreifen, die anlässlich von Vertragsverhandlungen häufig auftauchen. Manchmal sorgt man sich über zu hohe Angebotspreise (Preisabsprachen), manchmal über zu tiefe (Unterangebote) und manchmal über fehlenden Verhandlungsspielraum (Unternehmerklauseln).

Preisabsprachen

Es ist eine Tatsache, dass es in der Baubranche unter den Marktteilnehmern zahlreiche (verdeckte) Preisabsprachen gibt. Allerdings ist das Ausmass der Absprachen sehr unterschiedlich, abhängig von Marktsegment (Arbeitsgattung), Region und sogar der Konjunktur. In einer grösseren Gemeinde sprechen vielleicht die drei Elektriker regelmässig über die eingegangenen Offerten und die Konditionen. In der Stahlbaubranche gelingen möglicherweise sogar Absprachen unter allen Anbietern einer Region. Anderswo treffen sich die Baumeister, aber nur in guten Zeiten, während sie sich in der Rezession aufs Messer bekämpfen.

Es ist klar, dass Absprachen unter Konkurrenten den Prinzipien einer Marktwirtschaft frontal zuwiderlaufen. In einer echten Marktwirtschaft wie den USA müssen Firmen, die gegenseitig die Preise absprechen, mit harten Sanktionen rechnen. Nicht so in der Schweiz: Hier gilt ein Unterlaufen des Wettbewerbs nach wie vor höchstens als Kavaliersdelikt.

Wie kann sich die private Bauherrschaft dagegen schützen? Zunächst soll sie (am besten in den Ausschreibungsunterlagen) deutlich erklären, dass sie Preisabsprachen nicht tolerieren will. Nach Gauch (Gauch, Werkvertrag, Seite 138) sind verdeckte Preisabsprachen als Täuschung (nach Art. 28 OR) des Ausschreibers zu betrachten. Die getäuschte Bauherrschaft braucht sich nicht an den Vertrag zu halten und kann möglicherweise sogar Schadenersatz verlangen. – Es empfiehlt sich, den Teilnehmern der Ausschreibung diese Botschaft in aller Klarheit zu übermitteln. Bei jeder Preisabsprache besteht nämlich die Möglichkeit, dass sie aufgedeckt werden kann, sei es von einem neidischen Konkurrenten oder einem unzufriedenen Mitarbeiter.

Eine weitere Schutzmassnahme besteht darin, bei Ausschreibungen mindestens einen auswärtigen Anbieter zur Offertstellung einzuladen. Unmöglich werden Preisabsprachen dadurch nicht, aber zumindest doch etwas erschwert. Im Unterschied zur öffentlichen Hand, die kaum um die Wahl der ortsansässigen Unternehmer herumkommt, hat die private Bauherrschaft nämlich durchaus die Möglichkeit, einen günstigeren auswärtigen zu berücksichtigen.

Tiefpreisangebote

Soll man sogenannte Tiefpreisangebote annehmen? Vielfach versuchen finanziell angeschlagene Unternehmen, mit tiefen Angeboten zu Aufträgen zu kommen. Aber auch starke Unternehmen können zeitlich befristet eine aggressive Tiefpreisstrategie verfolgen, um Marktanteile zu gewinnen.

Tiefpreisangebote muss man selbstverständlich in Betracht ziehen. Erhöhte Vorsichtsmassnahmen im Hinblick auf einen möglichen Bankrott sind zwar angezeigt. Speziell das Bauhandwerkerpfandrecht ist zu beachten. Aber man darf auch bedrängten Unternehmen eine Chance geben. Wenn finanziell angeschlagene Firmen keine Aufträge erhalten dürften, gäbe es in der Schweiz viele renommierte Unternehmen, die zeitweise in Schieflagen gewesen sind, nicht mehr: Oerlikon-Bührle, Ascom, SMH, AGIE, Alusuisse, von Roll und viele weitere mehr.

Ein Kriterium muss aber immer erfüllt sein: die Qualität der angebotenen Leistung. Es gibt zwar Anbieter, die nur aufgrund zweifelhafter Qualität günstig anbieten können, aber es gibt eben auch andere. Viele Unternehmer mit wenig Arbeit (Baumeister, Elektriker, Storenbauer etc.) liefern in kritischen Zeiten selbst bei knappsten Konditionen mustergültige Arbeit ab. Wenn sie es nicht täten, wären sie in kürzester Zeit weg vom Markt. Wer sich die Mühe macht, kann ziemlich zuverlässig abklären, wie es um die zu erwartende Qualität steht.

Einen Begriff, den man aus dem Wortschatz streichen sollte, sind die sogenannten Unterangebote. Wenn eine Unternehmung eingeladen wird, ein Angebot einzureichen, hat sie nur zwei Möglichkeiten: sie arbeitet eine Offerte aus, oder sie lässt es bleiben. Wenn sie sich zu einem Angebot entschliesst, kann es günstig oder teuer sein, immer aber ist es das Resultat einer wirtschaftlichen Logik. Nur aus der Sicht der Konkurrenz, die teurer gerechnet hat, ist es ein «Unterangebot». Einen Anbieter nur darum von der Arbeitsvergebung auszuschliessen, weil er der günstigste ist, ist aus kaufmännischer Sicht absurd.

Unternehmerklauseln

Unternehmerklauseln sind eine Plage in der Bauwirtschaft. Im juristischen Sinn sind sie als Vorverträge zu verstehen, die eine Bauherrschaft dazu verpflichten, mit einem bestimmten Unternehmer für eine Bauleistung einen Werkvertrag abzuschliessen. Unternehmerklauseln entstehen vielfach dadurch, dass Grundstücke mit sogenannten Handwerkerverpflichtungen verkauft werden. Der Käufer erwirbt ein Grundstück mit der Auflage, für die spätere Bauausführung einen bestimmten Baumeister, Gipser oder Spengler bei der Arbeitsvergebung zu berücksichtigen, und zwar zu «mittleren Konkurrenzpreisen». Im Falle eines Handwerkerkonsortiums kann es eine ganze Gruppe von Handwerkern sein.

Für die Bauherrschaft stellt sich bei Handwerkerverpflichtungen das ernsthafte Problem, dass sie nur schwer herausfinden kann, was «mittlere Konkurrenzpreise» sind, weil gar keine echte Konkurrenz möglich ist. Sie hat gemäss Gauch (vgl. Gauch, Werkvertrag, Seite 125 f.) zwei Möglichkeiten, bei aussenstehenden Unternehmern Angebote einzuholen. Beide sind undankbar: (1) Sie kann den angefragten Unternehmern reinen Wein einschenken und erklären, dass ihre Offerten nur Alibiübungen sind. Dann wird sie vermutlich auch nur unsorgfältige Alibiofferten erhalten. Oder (2) sie verheimlicht den Unternehmern den wahren Sachverhalt. Dann bringt sie die getäuschten Unternehmer gegen sich auf und riskiert allenfalls sogar, wegen des Verstosses gegen Treu und Glauben rechtlich belangt zu werden.

Meines Erachtens kann noch eine dritte Möglichkeit in Betracht gezogen werden. Ich habe gute Erfahrungen damit gemacht, angefragte Unternehmer über die Unternehmerklausel offen zu informieren, aber für die Ausarbeitung einer Offerte etwas zu bezahlen. Dadurch besteht die reelle Chance, am Markt orientierte Offerten zu bekommen, ohne die Anbieter täuschen zu müssen.

Wenn eine Bauherrschaft erwägt, sich nicht an eine vorhandene Unternehmerklausel zu halten, steht sie je nach Situation möglicherweise gar nicht mit so schlechten Karten da. Beispielsweise sei daran erinnert, dass Unternehmerklauseln verjähren können. Ein versierter Jurist kann im Einzelfall die Situation rasch beurteilen. Eines jedenfalls ist sicher: es ist praktisch ausgeschlossen, dass bei einer Handwerkerverpflichtung der Abschluss eines Werkvertrages richterlich erzwungen werden kann (Gauch, Werkvertrag, Seite 128).


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