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Kommentar zur digitalen Neuausgabe 2019 von «Günstiger bauen»
(20 Jahre nach der erstmaligen Publikation)
siehe Ausführungen bei Kapitel 14
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Inhalt Kapitel 19:
19.1 Was kosten Angebote für Gesamtleistungen?
19.2 Die Planungsdauer bei der Gesamtleistungsausschreibung
19.3 Externe Unterstützung
In diesem letzten Abschnitt gehen wir etwas ausführlicher auf einige spezielle Aspekte von Gesamtleistungsausschreibungen ein. Zuerst fragen wir uns, nach welchen Kriterien Teilnehmer von Gesamtleistungsausschreibungen entschädigt werden. Im weiteren befassen wir uns mit dem Zeitbedarf des Verfahrens, welches länger dauert als praktisch alle anderen Realisierungsmodelle. Abschliessend geben wir einige Hinweise, in welcher Form die Bauherrschaft für ihre anspruchsvolle Projektführungsrolle von externen Fachleuten Unterstützung erhalten kann.
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19.1 Was kosten Angebote für Gesamtleistungen?
Welche Kosten erwachsen der Bauherrschaft in der Angebotsphase? Mit welchen Auslagen muss sie rechnen, bis sie entscheidungsreife Offerten für bauliche Gesamtleistungen (sog. Totalunternehmerangebote) auf dem Tisch hat und den Werkvertrag abschliessen kann? Es gibt einfache Bauaufgaben, wo diese Frage kaum ein Thema ist. Für Typenhäuser kosten Angebote nichts oder nur sehr wenig. Die Basispreise der Häuser (ohne Anpassungen an die lokalen Gegebenheiten) kann man sogar aus einer Preisliste ablesen. Uns interessieren aber die komplexeren Fälle: Was kostet ein Angebot für eine Fabrik, einen Umbau oder eine Reihenhaussiedlung?
Wir betrachten zuerst die Art der Honorierung bei der sogenannten Praktikermethode, die in diesem Buch behandelt wird. Anschliessend gehen wir auf das Modell der Generalunternehmer (VSGU-Modell) ein.
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A. Die Honorierung bei der Praktikermethode
Die Praktikermethode zeichnet sich durch ein betont pragmatisches Vorgehen aus, das sich an die Gepflogenheiten in der Industrie anlehnt (siehe Abschnitt 14.3B «Die Praktikermethode»). Zuerst erfolgt ziemlich intuitiv eine Vorauswahl von zwei (evtl. drei) Bewerbern, wofür keine Entschädigung ausgerichtet wird. Die anschliessende Projektausarbeitung in Konkurrenz wird vergütet, wobei man sich allerdings nicht an eine vorgegebene Honorierungsrichtlinie halten kann. Gesamthaft darf dieses Verfahren als kostengünstig bezeichnet werden.
Phase 1 (Vorauswahl)
Bei der Vorauswahl ist es vertretbar, auf eine Entschädigung zu verzichten. Mit dem Gesamtleistungsmodell verlässt man nämlich die schöne alte Welt des Bauens, wo jeder Strich eines Planers bezahlt wird. Die Totalunternehmer verstehen sich denn auch als Avantgarde im Bauwesen, die das handwerklich-gewerbliche Bauen überwunden haben und die Bauwirtschaft als Industrie verstehen. Dazu gehört, Angebote so zu erstellen, wie es in der Industrie üblich ist: kostenlos. – Für die Phase 1 (Vorauswahl) ist der Verzicht auf eine Entschädigung kaum vermessen, denn die zu erbringenden Leistungen sind bescheiden: Verlangt wird eine skizzenartige Darstellung der vorgesehenen Lösung sowie ein Richtpreis für das Investitionsvorhaben.
Ganz aufschlussreich ist ein Vergleich der Phase 1 (Vorauswahl) mit einem konventionellen Architektenwettbewerb. Bei letzterem sind die Chancen meistens klein, einen Preis zu erhalten, und noch viel kleiner, mit der Realisierung des Projektes betraut zu werden. Bei einer Gesamtleistungsausschreibung ist die Wahrscheinlichkeit für einen Auftrag rein statistisch gesehen immerhin schon 25%, wenn in der Phase 1 vier Teilnehmer eingeladen werden. Zudem ist der Arbeitsaufwand für eine Projektskizze kleiner als für das aufwendig ausgearbeitete Projekt eines Architektenwettbewerbs. Auch aus dieser Optik betrachtet scheint ein Verzicht auf eine Honorierung in der Phase 1 (Vorauswahl) akzeptierbar zu sein.
Phase 2 (Projektausarbeitung)
In dieser Phase ist der Arbeitsaufwand wesentlich grösser als in der Phase 1, weshalb eine Entschädigung angebracht ist. Für die Bemessung der Entschädigung hält man sich am besten an Richtwerte, die man von den Teilnehmern selber einholt. Sie sollen sich im Rahmen der Vorauswahl (Phase 1) dazu äussern, welchen Preis sie für die Ausarbeitung eines verbindlichen Angebots (Phase 2) als angemessen erachten. Diese Angaben können natürlich relativ stark schwanken. Es empfiehlt sich, an beide ausgewählten Teilnehmer der Phase 2 die gleiche Entschädigung auszurichten. Durch Verhandlungen ist ein Mittelweg zu finden.
Wie besser die offerierende Totalunternehmung organisiert ist, um so kleiner ist ihr Aufwand für die Ausarbeitung des Angebots. Besonders bei der Preisermittlung haben effiziente Firmen grosse Vorteile. Sie können bei der Kalkulation auf viele ausgeführte Vergleichsobjekte in der Vergangenheit zurückgreifen. Das ganze Offertwesen ist baukastenartig aufgebaut und weitgehend standardisiert. Es ist ein Gütekriterium einer Totalunternehmung, wenn sie kostengünstig eine Offerte erstellen kann.
Richtwerte für die Höhe der Entschädigung
Der Aufwand für die Ausarbeitung von Projekt und Angebot ist in hohem Masse von den Umständen abhängig. Art und Grösse des Bauvorhabens spielen eine erhebliche Rolle. Es können daher nur grobe Richtwerte für die Höhe der Entschädigung angegeben werden. Als Anhaltspunkt kann pro Angebot ein Betrag von 1.5% bis 2.5% der Anlagekosten (ohne Land) eingesetzt werden. Zwei Konkurrenzofferten zusammen ergeben somit 3% bis 5% der Anlagekosten. Welche absoluten Beträge für die Entschädigung der Anbieter ergeben sich dadurch? Wir wählen als Beispiel eine Bauaufgabe, die in baukünstlerischer Hinsicht als eher leicht einzustufen ist. Darunter kann man sich beispielsweise einen Anbau an eine Fabrik vorstellen oder eine mittlere Wohnüberbauung mit weitgehend standardisierten Reihenhäusern. Die Anlagekosten (ohne Land) betragen 5 Mio. Franken. Die oben angegebenen Richtwerte von 1.5% bis 2.5% des Investitionsbetrages ergeben eine Planungsentschädigung von 75 000 Fr. bis 125 000 Fr. pro Teilnehmer. Sehr effiziente Anbieter werden sich vermutlich sogar mit 50 000 Fr. begnügen. Anbieter, die weniger rationell arbeiten können oder einen hohen internen Kostensatz haben, dürften einen Betrag am oberen Ende der genannten Spanne oder darüber als angemessen erachten.
Wie wir im nächsten Absatz sehen werden, sind auch die Planungsentschädigungen am oberen Rand des Preisbandes noch günstig, wenn wir sie mit dem konventionellen Architektenverfahren vergleichen. Gesamtleistungsangebote kosten normalerweise nämlich recht wenig, weil die Gesetze des Marktes höhere Entschädigungen nicht zulassen.
Vergleich mit dem Architektenverfahren
Nachfolgend vergleichen wir die oben abgeschätzten Kosten der Gesamtleistungsausschreibung (Praktikermethode) mit den Planungskosten des konventionellen Architektenverfahrens (Direktauftrag). Wir gehen aus vom Honorar, das nach den SIA-Honorarordnungen 102 ff. für die gesamte Planungsphase (Leistungsanteil q = 35%) zu bezahlen ist. Wir gebrauchen dafür den Begriff «SIA-Normalhonorar». Gemäss der Berechnung in einer nachfolgenden Tabelle (siehe Abschnitt 19.1; Tabelle «Kosten für die Durchführung eines Gesamtleistungswettbewerbs (gemäss VSGU-Vorgehensmodell)») beträgt dieses SIA-Normalhonorar 354 000 Fr. (bei Anlagekosten von 5 Mio. Fr.). Darin sind neben dem Architekten die Spezialisten (Statik und Haustechnik) eingeschlossen. Damit wir nun nicht Äpfel mit Birnen vergleichen, müssen wir an diesem SIA-Normalhonorar zwei Korrekturen vornehmen. Die erste Korrektur betrifft den Leistungsumfang: beim Gesamtleistungsangebot sind die Baueingabe und das Baubewilligungsverfahren nicht enthalten, beim SIA-Normalhonorar jedoch schon. Die zweite Korrektur betrifft die Anpassung der Planerhonorare an die Marktkonditionen: die effektiv erzielbaren Honorare dürften unter den Ansätzen des SIA-Normalhonorars liegen, wobei das Ausmass der Unterschreitung von der Konjunktur abhängt. Nach diesen beiden Korrekturen ergibt sich ein Betrag für das Honorar, der bei etwa 300 000 Fr. liegen dürfte. Das ist der Preis, den man beim konventionellen Architektenverfahren unter Marktkonditionen für die Planung (ohne Baueingabe und Baubewilligungsverfahren) ungefähr bezahlen müsste. Er entspricht 6% des Investitionsbetrages von 5 Mio. Fr.
Nun stellen wir den Kosten des Architektenverfahrens die oben abgeschätzten Kosten der Gesamtleistungsausschreibung gegenüber. Bei hohen Planungsentschädigungen (2.5% der Anlagekosten) kosten beide Offerten zusammen (beispielsweise 2mal 125 000 Fr.) etwas weniger als das konventionelle Vorgehen (300 000 Fr.). Bei tiefen Planungsentschädigungen dagegen (1.5% der Anlagekosten) ist die Gesamtleistungsausschreibung (beispielsweise 2mal 75 000 Fr.) deutlich günstiger.
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Fazit zu den Planungskosten bei der Gesamtleistungsausschreibung (Praktikerverfahren)
Auch wenn bei der Gesamtleistungsausschreibung zwei Bewerber Angebote ausarbeiten, wovon die Bauherrschaft zweifellos profitieren kann, sind die Kosten für beide Offerten zusammen maximal etwa gleich hoch wie die Planungskosten beim konventionellen Architektenverfahren, vielfach aber tiefer.
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Kostenlose Totalunternehmerangebote?
Je nach Marktlage ist es für eine Bauherrschaft möglich, eine Reihe von Totalunternehmerangeboten völlig kostenlos zu erhalten. Ein Beispiel dafür ist die an anderer Stelle beschriebene Gesamtleistungsausschreibung für eine Wohnsiedlung in Thun (siehe Abschnitt 14.1: «Beispiel einer Gesamtleistungsausschreibung: Projektoptimierung in radikaler Form»). Nur der Gewinner wird hier entschädigt (er darf sein Projekt zum vereinbarten Werkpreis ausführen), die übrigen Teilnehmer gehen leer aus. Aus rechtlichen Gründen steht dieser Praxis selbstverständlich nichts im Wege, denn der Aufwand für die Ausarbeitung eines Unternehmerangebots «zählt nach allgemeiner Verkehrsanschauung zu den Gemeinkosten eines Werkunternehmers» (Gauch, Werkvertrag, Seite 133).
Obwohl diese Form des Geschäftens Marktwirtschaft in Reinkultur ist, stehe ich einer massvollen Entschädigung der Totalunternehmerangebote nicht ablehnend gegenüber.
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B. Die Honorierung beim Vorgehensmodell der Generalunternehmer (VSGU-Modell)
Das Vorgehensmodell der Generalunternehmer (VSGU-Modell) orientiert sich am traditionellen Architektenwettbewerb (siehe auch Abschnitt 14.3A «Das Modell der Generalunternehmer / VSGU-Modell»). Der Hauptentscheid fällt in der Phase 1 (Konzeptwettbewerb). Das Projekt wird anschliessend in der Phase 2 (Projektausarbeitung) im Idealfall nur noch von einem Teilnehmer ausgearbeitet. Gemäss den üblichen SIA-Begriffen (SIA-Honorarordnung 102) entspricht der Konzeptwettbewerb dem Vorprojekt und umfasst einen Leistungsanteil q von 9%. Die Projektausarbeitung ist dem Bauprojekt gleichzusetzen mit 26% Leistungsanteil.
Die Honorierung lehnt sich beim VSGU-Modell eng an die SIA-Honorarordnungen 102 ff. an. Die Entschädigung der Wettbewerbsteilnehmer soll einen gewissen Anteil des vollen Honorars betragen, das die Planer bei einem normalen Planerauftrag nach SIA für den entsprechenden Leistungsumfang erhalten würden. Eine VSGU-Publikation von 1990 (VSGU, Richtlinie, Seite 4) schlägt folgende Entschädigungen vor:
Phase 1 (Konzeptwettbewerb): mindestens 35% des vollen Honorars
Phase 2 (Projektausarbeitung): mindestens 75% des vollen Honorars
In einem neueren VSGU-Dokument von 1996 (VSGU, Empfehlungen, Seite 6) sind für die Phase 1 etwas tiefere Gesamtpreissummen (alle Anbieter zusammengerechnet) angegeben:
Für die Berechnung der Wettbewerbskosten halten wir uns an die Werte der «Richtlinie». In der nachfolgenden Tabelle ist dargestellt, welche Beträge für verschiedene Projektgrössen ungefähr zu erwarten sind. Neben den gesamten Wettbewerbskosten ist auch die Entschädigung pro Wettbewerbsteilnehmer aufgeführt. Da die Berechnung dieser Werte nicht einfach zu verstehen ist, auch für Fachleute nicht, erläutern wir die Tabelle ausführlich anhand eines Beispiels.
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Kosten für die Durchführung eines Gesamtleistungswettbewerbs
(gemäss VSGU-Vorgehensmodell)
Vorbemerkung: Die Tabelle wird im nachfolgenden Text ausführlich erläutert
Quelle:
Richtlinie für die Durchführung von Totalunternehmer-Submissionswettbewerben;
Ausgabe 1990; Herausgeber VSGU
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Erläuterung der Tabelle
Was kostet ein Gesamtleistungswettbewerb (gemäss dem VSGU-Vorgehensmodell) für die Bauherrschaft? Wir interpretieren die Tabelle oben anhand eines Bauvorhabens mit 5 Mio. Anlagekosten (ohne Land).
• Schritt A: Grunddaten Planerhonorare
Wir schätzen zuerst ab, wieviel Honorar bei einem normalen Planungsauftrag (nach SIA-Honorarordnung 102 ff.) das Planungsteam erhält, und zwar für die gesamte Leistung (Leistungsanteil 100%) von Vorprojekt bis Bauabrechnung. Es ergibt sich eine Summe von 1 012 000 Fr., sofern für den Faktor n in der Honorarformel der Wert 1.0 eingesetzt wird. Für die honorarberechtigten Bausummen B nehmen wir Erfahrungswerte an, auf die wir nicht näher eingehen. Nun ermitteln wir das Honorar für die Planungsphase (Leistungsanteil 35%). Es beträgt total 354 000 Fr. Die Phase 1 des Gesamtleistungswettbewerbs (Konzeptwettbewerb; entspricht Vorprojekt) beinhaltet 9% Leistungsanteil, was einen Betrag von rund 91 000 Fr. ergibt. Die Phase 2 (Projektausarbeitung; entspricht Bauprojekt) umfasst 26% Leistungsanteil, was zu einem Honorar von 263 000 Fr. führt.
• Schritt B: Entschädigung der Wettbewerbsteilnehmer
In der Phase 1 (Konzeptwettbewerb) wird gemäss der in der Tabelle angegebenen Quelle pro Teilnehmer 35% des vollen Honorars für den entsprechenden Leistungsumfang vergütet, was 32 000 Fr. ergibt. In der Phase 2 (Projektausarbeitung) sind es 75%, und die Entschädigung pro Teilnehmer beträgt 197 000 Fr.
• Schritt C: Wettbewerbskosten
Abschliessend ermitteln wir die Kosten, die der ganze Wettbewerb für die veranstaltende Bauherrschaft verursacht. Dabei betrachten wir zwei Fälle, nämlich die Projektausarbeitung (Phase 2) mit oder ohne Konkurrenz. Im Fall C1 (Projektausarbeitung ohne Konkurrenz) gehen wir von der realistischen Annahme von vier Teilnehmern für den Konzeptwettbewerb aus. Hier betragen die Wettbewerbskosten 325 000 Fr. Im Fall C2 (Projektausarbeitung in Konkurrenz) erhöhen sich die Kosten der Wettbewerbsdurchführung auf 522 000 Fr., sofern zwei Teilnehmer die Phase 2 (Projektausarbeitung) bestreiten.
Kommentar
Wie sind die oben ermittelten Wettbewerbskosten gemäss VSGU-Modell beim Gesamtleistungswettbewerb (offizielle Bezeichnung: Totalunternehmer-Submissionswettbewerb) zu interpretieren?
• Fall C1: Projektausarbeitung ohne Konkurrenz
Wenn für die Projektausarbeitung nur ein Teilnehmer beauftragt wird (was beim VSGU-Modell bevorzugt wird), resultieren Wettbewerbskosten für beide Phasen von 325 000 Fr. Das ist fast gleich hoch wie das Honorar, das nach den SIA-Honorarordnungen 102 ff. für einen Direktauftrag zu bezahlen wäre (354 000 Fr.).
• Fall C2: Projektausarbeitung in Konkurrenz
Wenn für die Projektausarbeitung zwei Teilnehmer in Konkurrenz gegeneinander antreten (was der Autor befürwortet), erhöhen sich die Wettbewerbskosten auf 522 000 Fr. Das ist fast 50% mehr als das normale Honorar im Direktauftrag (354 000 Fr.). Projektausarbeitung in Konkurrenz ist beim VSGU-Modell also eine recht kostspielige Angelegenheit.
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19.2 Die Planungsdauer bei der Gesamtleistungsausschreibung
Die Gesamtleistungsausschreibung ist ein Verfahren für die Projektrealisierung, bei dem es nicht allzustark eilen darf, denn diese Methode ist nicht sehr schnell. Das mehrstufige Auswahlverfahren braucht einfach seine Zeit. Im Vergleich zum Direktauftrag ergibt sich eine deutlich längere Planungsdauer. In diesem Abschnitt wollen wir der Frage nachgehen, wie gross dieser Zeitunterschied ist. Dabei halten wir uns an die Methode der Gesamtleistungsausschreibung, die in diesem Buch beschrieben wird: die Praktikermethode.
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Der Massstab: Planungsdauer beim Direktauftrag
Fragen wir uns zuerst, welche Planungsdauer bei einem Direktauftrag erwartet werden darf. Hinsichtlich des Zeitbedarfs ist es unerheblich, ob es sich um einen Direktauftrag an unabhängige Planer oder an eine Totalunternehmung handelt. Wenn das Projekt einmal definiert ist, kann bei der direkten Auftragserteilung sofort mit den Planungsarbeiten begonnen werden. Ein relativ grobes Pflichtenheft genügt dazu. Es reicht aus, wenn die wichtigsten Projektspezifikationen darin enthalten sind (Raumprogramm, Qualitätsanforderungen aller Art, allenfalls Layout und weiteres mehr).
Stufenweise erarbeiten nun die Planer das Projekt. Die einschlägigen Planungsschritte, die wir an anderer Stelle im Detail betrachtet haben (siehe Abschnitt 9.1 «Vom Vorprojekt zur Baueingabe»), sind in der SIA-Honorarordnung 102 dargelegt. Periodisch wird die Bauherrschaft beigezogen, um Entscheide mit unterschiedlicher Tragweite zu fällen. Die noch groben Angaben im Pflichtenheft werden fortlaufend verfeinert, bis das Bauprojekt buchstäblich bis zur letzten Steckdose definiert ist. Am Schluss der Planungsphase liegen die Kosten in einer Genauigkeit von mindestens etwa 10% vor.
Der Zeitbedarf für die Planungsphase von der Entgegennahme des Pflichtenheftes bis zur Baueingabe hängt stark von der Art des Projektes ab. Als plausibler Mittelwert können vier Monate angenommen werden. In einfachen oder besonders dringenden Fällen sind auch kürzere Fristen möglich.
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Planungsdauer bei der Gesamtleistungsausschreibung
Die Gesamtleistungsausschreibung betrachten wir etwas ausführlicher als den Direktauftrag. Die Planungsphase setzt sich hier aus folgenden vier Teiltätigkeiten zusammen: Phase 1 (Vorauswahl), Phase 2 (Projektausarbeitung), Entscheidungsphase sowie Baueingabephase.
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Die Planungsdauer bei der Gesamtleistungsausschreibung und beim Direktauftrag
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Phase 1 (Vorauswahl)
Bei der Abschätzung des Zeitbedarfs für die Phase 1 gehen wir von der Annahme aus, dass im Rahmen der Projektdefinition ein konventionelles Pflichtenheft erstellt wird, wie es beim normalen Architektenverfahren (Direktauftrag) üblich ist. Dieses genügt jedoch den hohen Anforderungen der Gesamtleistungsausschreibung nicht. Es ist dafür zuwenig detailliert und muss daher am Anfang der Phase 1 zuerst noch verfeinert werden. Im Kapitel 15 gehen wir darauf ein (Abschnitt 15.2 «Bausteine von Pflichtenheften»), aus welchen Bausteinen ein detailliertes Pflichtenheft bestehen kann. Bei einem Industrieprojekt gehört beispielsweise eine Liste der Anschlusswerte der Maschinen dazu. Je nach Projekt kann es zwei bis vier Wochen dauern, bis das Pflichtenheft in der erforderlichen Präzision vorliegt.
Das heisst nun aber nicht, dass das Projekt um diese Zeitspanne verzögert wird. Bereits während der Verfeinerung des Pflichtenheftes kann die Bauherrschaft erste Kontakte zu Totalunternehmern aufnehmen. Anhand von Gesprächen und Besichtigungen werden in dieser Zeit die etwa vier Firmen bestimmt, die die Phase 1 (Vorauswahl) bestreiten sollen. Diese Bewerber erarbeiten grobe Angebote, bestehend aus einer skizzenartigen Darstellung der Lösung sowie einer Kostenschätzung. Anschliessend werden die Angebote von der Bauherrschaft geprüft und beurteilt. Die ganze Phase 1, von der Überarbeitung des Pflichtenheftes bis zur Vorauswahl der zwei besten Anbieter, dauert etwa zweieinhalb Monate.
Phase 2 (Projektausarbeitung)
Für die Phase 2 (Projektausarbeitung) verbleiben normalerweise zwei Bewerber. Am Anfang der Phase wird zunächst das Pflichtenheft nochmals auf den letzten Stand gebracht, damit beide Teilnehmer der Ausschreibung die gleiche Ausgangslage haben. Es sind seit der ersten Abfassung vermutlich neue Aspekte aufgetaucht, die berücksichtigt werden müssen. Parallel dazu können die Ausschreibungsteilnehmer mit der Planung weiterfahren. Ziel ist ein detailliert ausgearbeitetes Projekt samt einer verbindlichen Kostenangabe. Eine Frist von zweieinhalb Monaten dürfte bis zur Abgabe des Angebots an die Bauherrschaft ausreichen.
Entscheidungsphase
Die nun folgende Entscheidungsphase sollte zeitlich nicht unterschätzt werden. Wir setzen dafür eineinhalb Monate ein. Zuerst werden die Angebote von der Bauherrschaft ausgewertet und verglichen. Erfahrungsgemäss tauchen Aspekte auf, die zu Zusatzabklärungen führen. Mit den bereinigten Offerten können nun die Vertragsverhandlungen geführt werden. Zu grosser Zeitdruck zahlt sich hier nicht aus.
Baueingabephase
Nach der Auswahl des Siegerprojektes geht es darum, möglichst schnell die Baueingabe einzureichen. Bisher nur grob untersuchte Aspekte, die für die Bewilligung aber wichtig sind, werden im Detail geplant (z. B. Schutzraumkonzept). Anforderungen aller Art sind mit den Behörden abzusprechen (Brandschutz, Denkmalpflege etc.). Alle erforderlichen Dokumente für die Baueingabe werden erstellt. Für die meisten sind ausschliesslich die Planer zuständig (Wärmeschutznachweis, Schutzraumeingabe etc.). Es gibt aber auch Aufgaben, bei denen die Mitarbeit der Bauherrschaft erforderlich ist (z. B. Beschreibung der betrieblichen Nutzung bei einem Gewerbeprojekt). Gesamthaft gesehen geht es also bei der Baueingabephase um weit mehr als nur um ein Ergänzen und Unterschreiben der Pläne. Wir nehmen an, dass dafür eineinhalb Monate benötigt werden.
Gesamte Planungsdauer
Die totale Planungsdauer bei der Gesamtleistungsausschreibung beträgt acht Monate, wenn man die oben erläuterten Annahmen für die Phasen Vorauswahl, Projektausarbeitung, Entscheidung und Baueingabe zusammenzählt. Das sind vier Monate mehr als beim konventionellen Architektenverfahren (Direktauftrag).
Dieser zeitliche Mehraufwand ist aber als obere Grenze zu betrachten. Wenn es nötig ist, kann er auch reduziert werden. Damit der Aspekt der längeren Planungszeit gegenüber dem Direktauftrag aber nicht vernachlässigt wird, scheint mir im Beispiel eine deutliche Darstellung angebracht zu sein.
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Projektdauer von der ersten Idee bis zum Bezug
Bisher haben wir nur von der Planungsphase gesprochen. Wir stellen fest, dass mehr Wettbewerb seinen Preis hat: Die Planungsdauer verlängert sich im Vergleich zum Direktauftrag um mehrere Monate. Jetzt wollen wir die ganze Dauer eines Projektes betrachten, von der ersten Idee bis zum Bezug. Als Beispiel wählen wir einen Fabrikneubau.
Die erste Hauptphase nach dem Projektstart ist die Projektdefinition. Bei Industrieprojekten wird sie auch als Betriebsplanung oder Feasibility-Studie bezeichnet. Hier ist der Zeitbedarf sehr stark vom Projekt abhängig. Die angegebene Dauer von vier Monaten ist ein Richtwert für Projekte aus der Maschinenindustrie.
Nun folgt die bereits erörterte Planungsphase. Für den Zeitbedarf übernehmen wir die Angaben aus dem letzten Absatz: vier Monate beim Direktauftrag, acht Monate bei der Gesamtleistungsausschreibung.
Eine weitere Hauptphase ist die Baubewilligungsfrist. Diese kann durch die Bauherrschaft kaum beeinflusst werden. Die angenommene Dauer von sechs Monaten wird in günstigen Fällen wesentlich unterschritten, bei Rekursen und dergleichen aber auch überschritten.
Die letzte Hauptphase ist die Bauausführung. Wir gehen davon aus, dass während der Bewilligungsfrist die Ausführung bereits vorbereitet wird. Dadurch ist es möglich, dass man mit eintreffender Baubewilligung praktisch die Baumaschinen auffahren lassen kann. Eine reine Bauzeit von acht Monaten ist plausibel für ein hallenartiges, mehrheitlich ebenerdiges Fabrikgebäude mit einigen Annexbauten.
Gesamt ergibt sich eine totale Projektdauer von 22 Monaten für den Direktauftrag und 26 Monaten für die Gesamtleistungsausschreibung (siehe Abbildung).
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Gesamte Projektdauer bei Direktauftrag und Gesamtleistungsausschreibung (Beispiel Fabrikneubau)
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Interpretation
Es stellt sich nun die Frage, ob die Verzögerung von vier Monaten, die mit der Gesamtleistungsausschreibung verbunden ist, zu beurteilen ist. Lohnt sich der Zeitverlust?
Zunächst muss man festhalten, dass die Verzögerung nur die Planungszeit betrifft und nicht die eigentliche Bauzeit. Bei vielen Projekten ist eine längere Planungszeit kaum mit Kosten verbunden und daher zweitrangig. Dies ist etwa bei Anbauten, Umnutzungen und Sanierungen der Fall, teilweise auch bei Neubauten (vor allem dann, wenn der Boden schon Jahrzehnte im Besitz der Bauherrschaft ist).
Anders ist es bei vielen industriellen Projekten. Der Faktor Zeit ist in den letzten Jahren ständig wichtiger geworden. Nach dem Darwinschen Gesetz der modernen Industrie hat der Schnelle die besten Überlebenschancen.
Das gesamtwirtschaftliche Tempodiktat hat Auswirkungen auf die Fristen beim Bauen. Das heisst aber nicht, dass darum Gesamtleistungsausschreibungen in der Industrie unmöglich sind. Die Praxis beweist das Gegenteil: Die Aussicht auf günstigere Kosten wiegt in manchen Fällen den Zeitverlust auf.
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19.3 Externe Unterstützung
Es ist für eine Bauherrschaft eine verlockende Perspektive, für ihr Bauvorhaben in Form der Gesamtleistungsausschreibung einen Wettbewerb der Ideen und gleichzeitig eine Konkurrenz der Preise durchzuführen. Aber dieses Vorgehen ist alles andere als trivial. Die Güte des Resultates bei der Gesamtleistungsausschreibung steht und fällt mit der Fachkompetenz auf Bauherrenseite.
Grosse Bauträgerschaften, die immer wieder bauen, haben diese Fachkompetenz. Dazu zählen etwa Banken, Versicherungen, multinationale Industrieunternehmen, ein Teil der öffentlichen Hand, Regiebetriebe wie SBB und PTT und andere mehr. Schon mittelgrosse private Unternehmen aber dürften zu selten eigene Projekte abwickeln, um über die nötige Routine zu verfügen. Kaum nennenswerte Erfahrung schliesslich hat die grosse Masse der Bauherrschaften, die Bauvorhaben nur sporadisch oder überhaupt zum ersten Mal realisieren. Hier ist externe Unterstützung in hohem Masse angebracht. Man kommt zwar auch auf eigene Faust zu Angeboten, und am Schluss steht zweifellos ein Bauwerk, aber vermutlich lässt man dabei einige Chancen ungenutzt – ohne es überhaupt zu bemerken.
Im folgenden gehen wir näher darauf ein, bei welchen Fragen externe Unterstützung nützlich sein kann.
Pflichtenheft
Am Anfang der Gesamtleistungsausschreibung steht das Pflichtenheft (siehe Kapitel 15). Es soll die Anforderungen an das Bauwerk genau definieren, ohne die Lösung unnötig zu präjudizieren. Vielfach ist das eine Gratwanderung. Ein gutes Pflichtenheft ist daher ein Stück Kunst. Seine Abfassung ist neben dem Offertvergleich die schwierigste Aufgabe bei der Gesamtleistungsausschreibung überhaupt.
Manchmal ist vor der Bauplanung und somit vor der Redaktion des Pflichtenhefts eine Betriebsplanung nötig, beispielsweise bei industriellen Projekten. Aus meiner Erfahrung ist hier oft ein internes Planungsteam, das durch einen externen Planungsfachmann verstärkt wird, die ideale Lösung. Der aussenstehende Berater ist idealerweise ein Generalist und kann betriebliche wie bauliche Fragen abdecken. Dadurch ist gewährleistet, dass die betrieblichen Planungsergebnisse nahtlos ins Pflichtenheft einfliessen.
Vorauswahl der Planer
Der externe Berater hat die Marktübersicht, um die interessanten Anbieter von Totalunternehmerleistungen zu kontaktieren. Er unterstützt die Bauherrschaft dabei, die Fähigkeiten der Bewerber besser einschätzen zu können. Die eingereichten Unterlagen (Projektskizze, Richtpreis) werden von ihm beurteilt und der Bauherrschaft in bereinigter Form vorgelegt. Näheres zur Vorauswahl siehe Kapitel 16.
Vergleich der Gesamtleistungsangebote
Bei dieser schwierigen und heiklen Aufgabe kann ein guter externer Berater seine ganze Fachkompetenz einbringen. Während die Bauherrschaft die Funktionserfüllung gut beurteilen kann und sich oft auch bei der formalen Gestaltung ein Urteil zutraut, braucht es bei der Analyse der Angebote profunde Fachkenntnisse. Weil die Gesamtleistungsausschreibung ein Wettbewerb der Ideen ist, sind die Lösungen unterschiedlich. Es ist darum nicht ganz einfach, dass man bei der Beurteilung der Angebote Gleiches mit Gleichem vergleicht. Näheres zum Angebotsvergleich siehe Abschnitt 17.2 «Angebotspreise vergleichen».
Vertragsgestaltung
Ein erfahrener Baufachmann weiss, welche Punkte bei den Vertragsverhandlungen (siehe Abschnitt 17.4 «Vertragsverhandlungen») speziell wichtig sind. Beispielsweise geht es um folgende Fragen: Garantien, Zahlungswesen, Versicherungen, Bonus bei offener Abrechnung mit Kostendach, genauer Modus von Preisanpassungen bei Projektänderungen, Schutzmassnahmen gegen Bauhandwerkerpfandrechte, Erfüllungsgarantie und weiteres mehr.
Preisanpassungen, Schlussabrechnung
Anpassungen des Werkpreises infolge Projektänderungen (siehe Abschnitt 18.2 «Anpassungen des Werkpreises») sind nie ganz zu vermeiden. Nicht selten braucht es vertiefte bautechnische Kenntnisse dazu, um finanzielle Nachforderungen nachprüfen zu können. Man muss im Detail verstehen, welche Leistung im Werkvertrag enthalten ist und wie die Preiskalkulation der Nachforderung aufgebaut ist. Auch bei derartigen Fragen leistet ein kompetenter externer Fachmann nützliche Dienste.
Hinweise zu Varianten der Bauherrenberatung und zu den Kosten von externer Unterstützung finden sich im abschliessenden Kapitel 13 des Teils II (Abschnitt 13.3 «Externe Unterstützung»).
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