.

8.9A: Beispiel Honorarfragen Einfamilienhaus

Ein erheblicher Anteil aller Architektenaufträge werden für Bauvorhaben erteilt, die nicht grösser als Einfamilienhäuser sind. In den meisten Fällen zeichnen sich derartige Planungsmandate durch eine ausgesprochen unheilige Allianz aus: Es geht um (relativ) viel Geld, die Vertragsbedingungen sind ausgesprochen kompliziert – und die Bauherren als Auftraggeber sind völlig unwissend.

In diesem Abschnitt gehen wir der Frage nach, was Einfamilienhausbauer eigentlich über Honorare wissen sollten.

.

Eine Warnung oder die Geschichte von Herrn Müllermeyer

Es muss keineswegs schlecht herauskommen, wenn sich ein nicht sachkundiger Bauherr auf ein Bauabenteuer einlässt. Es gibt viele Architekten, die sich in erster Linie als Treuhänder des Bauherrn verstehen, diesen nach bestem Wissen und Gewissen beraten und in Sachen Honorierung fair sind. Es gibt aber auch andere. Von einem exemplarischen Beispiel möchte ich nachfolgend berichten. Nennen wir es die Geschichte von Herrn Müllermeyer.

.

Herr Müllermeyer wartet auf die Baubewilligung für sein Einfamilienhaus. Da er nicht restlos überzeugt ist von seinem Architekten, bittet er mich als neutralen Fachmann, das Projekt einmal kritisch anzuschauen. Den Architekten hat er gewählt, weil einige seiner Bekannten bereits mit ihm gebaut haben. Einen Ruf als guten Gestalter hat er nicht, dafür sagt man ihm nach, er sei auf der Baustelle recht souverän. In gestalterischer Hinsicht erweist sich der Architekt denn auch als völlig unbegabt. Der Bauherr entwirft (als gelernter Informatiker) das Haus selber – und nicht einmal so schlecht, wie ich zugeben muss. Es entsteht ein lustiges Hexenhäuschen. Der Architekt begnügt sich in der Planungsphase damit, die CAD-Zeichnungen seines Bauherrn abzuzeichnen (von Hand …) und als Baueingabe einzureichen.

Immerhin komme ihm der Architekt finanziell entgegen, meint Herr Müllermeyer. Er habe ihm versichert, dass er für das Projekt weniger bezahlen müsse als normalerweise üblich. Einen Architektenvertrag kann er mir allerdings nicht vorweisen, obwohl er ihn schon vor Monaten verlangt hat. Dafür hat er bereits zwei Honorarrechnungen erhalten und eine davon schon seit längerem bezahlt.

Ich werfe einen Blick in die beiden Rechnungen. Der Befund ist in hohem Masse verblüffend. Aus der neueren Rechnung geht hervor, dass der Architekt seine Leistungen keineswegs günstig verrechnet, wie er dem Bauherrn gegenüber behauptet. Die Faktoren, die er in die Honorarformel einsetzt, ergeben ein recht üppiges Honorar. Sehr interessant ist aber die erste Rechnung. Sie betrifft Aufwendungen ganz am Anfang der Projektierung. In Absprache mit der Gemeinde hat der Architekt das fertig ausgearbeitete Projekt zuerst im Sinne einer Voranfrage eingereicht, weil einige Erschliessungsfragen noch nicht geklärt gewesen sind. Nach dem positiven Vorentscheid ist die eigentliche Baueingabe nur noch eine Formsache gewesen. Der Architekt hat das Projekt nicht ändern müssen, mit Ausnahme einer kleineren Modifikation, die der Bauherr verlangt hat. Die nochmalige Eingabe hat nur einen bescheidenen Zusatzaufwand verursacht. Das hat den Architekten jedoch nicht daran gehindert, dafür eine happige Entschädigung zu verlangen: Er hat sich die ganze Projektierung praktisch doppelt vergüten lassen.

Nach meinen Abklärungen muss Herr Müllermeyer ernüchtert feststellen, dass er Pech gehabt hat mit seinem Architekten. Dieser ist zwar schwach im Entwurf, aber das hat er immer gewusst, und das nimmt er in Kauf. Es beschäftigt ihn viel mehr, dass er ihm nicht einmal finanziell entgegengekommen ist, wie er ihm vorgegaukelt hat. Im Gegenteil, er hat eine an sich banale Planänderung sündhaft teuer verrechnet.

.

Die Geschichte von Herrn Müllermeyer ist wahr. Sie hat sich, mit einigen unbedeutenden Änderungen, so zugetragen. Sie zeigt exemplarisch auf, dass Bauherren den Architekten ausgeliefert sind und gelegentlich gnadenlos geschröpft werden, ohne dass sie es überhaupt merken. Es ist eine Besonderheit des Bauens, dass es dabei nicht um kleine Summen geht. Selbst sogenannte Zusatzleistungen von Architekten können schnell einmal Beträge erreichen, für die ein normaler Berufstätiger monatelang arbeiten muss.

.

Ratschläge für Architektenverträge für Einfamilienhäuser

Nachfolgend liste ich einige Hinweise auf, die für Bauherren nützlich sein können, die mit einem Architekten einen Planervertrag für ein Einfamilienhaus abschliessen wollen.

A. Vertrag frühzeitig schriftlich abschliessen

Dies ist die wohl wichtigste Empfehlung überhaupt, und zwar nicht nur bei Einfamilienhäusern, sondern bei allen Bauvorhaben. Der Architektenvertrag soll vor der Arbeitsaufnahme schriftlich abgeschlossen werden. Je nach Situation ist es empfehlenswert, mit mehreren Interessenten für den Auftrag Gespräche zu führen.

B. Honorar pauschal vereinbaren

Dieser Ratschlag ist wesentlich leichter gesagt als in die Tat umgesetzt. Praktisch jede Ratgeberpublikation für Bauherren empfiehlt, das Architektenhonorar pauschal zu vereinbaren. Nirgendwo wird aber gesagt, wie gross dieses Pauschalhonorar sein solle. Diese Schrift drückt sich nicht davor und nennt Zahlen.

Pauschale Honorare sind bei Einfamilienhäusern möglich, weil es sich in den meisten Fällen um alltägliche, wohlvertraute Planungsaufgaben handelt. Zudem ist der Investitionsrahmen und somit die Grösse des Projektes in der Regel zwingend vorgegeben. Es ist nicht einsichtig, wieso es für derartige exemplarische Standardaufgaben nicht auch einen Standardpreis für die Architektenarbeit geben sollte. Wenn ein Architekt aufgrund eines einigermassen verbindlichen Pflichtenheftes der Bauherrschaft das Honorar nicht verbindlich angeben kann, darf man sich die Frage stellen, ob er der Aufgabe überhaupt gewachsen ist.

Es sind vorwiegend professionelle Bauherren (oder solche, die sich von Profis beraten lassen), die in der wirtschaftlichen Realität Pauschalhonorare für Einfamilienhäuser vereinbaren. Es zeigt sich, dass diese Honorare in der Regel einiges unter den Kostentarifen liegen, die sich gemäss der SIA-Honorarordnung 102 (Architekten) ergeben würden. In der nachfolgenden Tabelle sind einige Richtwerte für Pauschalhonorare angegeben, die für erste Budgetzwecke verwendet werden können. Sie basieren auf den (allerdings nicht zwingend repräsentativen) Marktbeobachtungen des Autors und sind bewusst knapp angesetzt. Der erzielbare pauschale Marktpreis kann, abhängig von Aufgabe und Marktlage, durchaus auch höher sein.

Wir interpretieren die Tabelle anhand eines Beispiels. Wir gehen davon aus, dass die Anlagekosten eines Wohnhauses (ohne Land) 600 000 Fr. betragen. Erfahrungsgemäss sind etwa 80% dieser Summe honorarberechtigt, also etwa 480 000 Fr. Gemäss SIA-Honorarordnung 102 (Architekten) wird das Honorar gemäss einer Formel ermittelt, die wir an anderer Stelle detailliert behandelt haben (Abschnitt 8.3 «Die Honorarberechnung im Kostentarif»; Absatz «Die Formel für den Kostentarif»). Wenn wir für die Faktoren n und q den Wert 1 wählen, was für Einfamilienhäuser üblich ist, und für p den Tabellenwert 19.5% einsetzen (Tarif 1998), kommen wir auf ein Honorar von 94 000 Fr. Diese Summe entspricht dem normalen Honorar nach Kostentarif für das Jahr 1998, wobei zu berücksichtigen ist, dass die p-Werte zurzeit ungewöhnlich hoch sind: Infolge der gedrückten Baupreise ergibt eine bestimmte Bausumme momentan prozentual mehr Honorar als in wirtschaftlich normalen Zeiten (siehe die oben angegeben Formel für den Kostentarif; Stichwort «Honorar-Grundprozentsatz p»). Dem errechneten Wert für das Honorar gemäss Honorarformel ist ein Richtwert für ein Pauschalhonorar gegenübergestellt, der auf dem Markt erzielt werden dürfte. Im Beispiel beträgt dieser Marktpreis 60 000 Fr., also etwa einen Drittel weniger als das Honorar nach Kostentarif.

.

Richtwerte für Architektenhonorare von Einfamilienhäusern

k8-9a1

.

Die durch Verhandlung erreichbaren Pauschalhonorare sind abhängig von der Kostenstruktur und der Arbeitsweise der kontaktierten Architekturbüros. Günstig arbeiten können jene, die ähnlich wie Typenhausanbieter hochgradig spezialisiert sind und ihre Leistungen baukastenartig erbringen. Repetition ist gefragt, nicht Einzigartigkeit. Kostenbewusste Architekturbüros verwenden immer wieder gleiche oder ähnliche Bausteine, seien es Grundrisselemente, Detaillösungen oder Leistungsverzeichnisse.

Selbstverständlich sind günstige Pauschalhonorare nur bei gängigen Standardhäusern zu erwarten. Aufwendig gestylte Unikate, sogenannte Designerhäuser, beanspruchen einen überdurchschnittlichen Aufwand an Architektenarbeit und sind vermutlich nicht einmal im normalen Kostentarif kostendeckend.

C. Leistungen bereinigen

Zusammen mit der Höhe des Honorars müssen vor Vertragsabschluss die Leistungen des Architekten bereinigt werden. Der Leistungsbeschrieb (siehe Abschnitt 8.3 «Die Honorarberechnung im Kostentarif»; Absatz «Die Leistungen als Basis der Honorarberechnung») in der SIA-Honorarordnung 102 ist für diese Diskussion eine gute Grundlage. Meines Erachtens sollte er vor jedem Vertragsabschluss anlässlich eines ein- bis zweistündigen Gesprächs zwischen Bauherrschaft und Architekt intensiv besprochen werden. Als Vorbereitung für die Diskussion erstellt die Bauherrschaft eine Liste mit Fragen und Anregungen. Alles, was während des Projektes irgendwie speziell sein könnte, soll auf den Tisch kommen. Nachfolgend gebe ich dazu einige Anregungen.

• Einliegerwohnung
Nehmen wir an, die Bauherrschaft sehe in ihrem Einfamilienhaus eine Einliegerwohnung vor, ist sich über die räumliche Lösung aber noch nicht schlüssig. In diesem Fall hält sie im Leistungsbeschrieb mit Vorteil fest, dass der Architekt die in Frage kommenden Möglichkeiten untersuchen solle. Der entsprechende Aufwand wird bereits in die Honorarberechnung einbezogen.

• Eigenleistungen
Präzisierungen sind empfehlenswert, wenn die Bauherrschaft Eigenleistungen erbringen will. Damit verbundene Sachfragen (Honorierung, Bauleitung, Abrechnung, Haftung etc.) müssen geregelt werden.

• Genauigkeit der Kostenermittlung
Meines Erachtens sollte die Genauigkeit bei der Baueingabe 10% betragen und beim Kostenvoranschlag 5% (siehe auch Kapitel 10).

Vielfach kann die Bauherrschaft durch einen projektbezogen angepassten Leistungsbeschrieb erreichen, dass keine Zusatzleistungen des Architekten nötig werden, die separat zu honorieren sind. Alle absehbaren Leistungen des Architekten werden somit bereits in die Grundleistungen eingeschlossen. Dies ist aber nicht in jedem Fall möglich. Wenn man beispielsweise überhaupt nicht weiss, welchen Aufwand die Denkmalpflege verursacht, kann auch kein Aufwand abgeschätzt werden.

Bei nicht voraussehbaren Zusatzleistungen ist eine Vorsichtsmassnahme empfehlenswert. Im Architektenvertrag soll präzisiert werden, dass Zusatzleistungen nur honoriert werden, wenn der (ungefähre) kostenmässige Aufwand vor Beginn schriftlich vereinbart wird. Eine ähnliche Klausel ist zwar bereits in der SIA-Honorarordnung 102 enthalten, aber viel schwächer formuliert: «Die Ausführung von Zusatzleistungen ist vorgängig zu vereinbaren» (Art. 3.2.3 SIA 102). Damit ist nur gesagt, dass die Bauherrschaft Zusatzleistungen, die der Architekt von sich aus ausführt, nicht bezahlen muss. Wenn der Architekt aber auch die ungefähren Kosten anzugeben hat, kann die Bauherrschaft vermeiden, dass ihr am Schluss ein Phantasiepreis verrechnet wird wie Herrn Müllermeyer im Beispiel am Anfang dieses Abschnittes.

Ein bereinigter Leistungsbeschrieb auf der Basis der SIA-Honorarordnung 102, wie er hier beschrieben wird, kann als Vorstufe zum neuen Leistungsmodell 95 (siehe Abschnitt 8.8 «Spezielle Vertragsformen»; Buchstabe E «Das Leistungsmodell 95») angesehen werden. Dort werden nicht nur einige spezielle Punkte, sondern die gesamte Planerleistung projektbezogen festgelegt. Für nicht sachverständige Bauherrschaften ist dieses Unterfangen meiner Ansicht nach allerdings kaum praktikabel.

D. Bonus

Ein Bonus als Anreiz zum kostenbewussten Planen ist meines Erachtens auch bei Einfamilienhäusern möglich, obwohl von vielen Fachleuten meistens das Gegenteil behauptet wird. Eine gute Grundlage für eine Bonus-Vereinbarung ist der genehmigte Kostenvoranschlag. In der nachfolgenden Tabelle ist dargestellt, wie eine Vereinbarung konzipiert werden kann.

.

Architektenauftrag für ein Einfamilienhaus:
Beispiel einer Bonus-Vereinbarung

k8-9a2

.

Die Haustechnikplanung

Für die Planung der haustechnischen Systeme (Elektro, Heizung, Sanitär) werden bei Einfamilienhäusern meistens keine unabhängigen Planer beigezogen. Die Architekten behelfen sich damit, indem Ausführungsfirmen zusätzlich zu ihrer Offerte vorgängig selber ein Projekt ausarbeiten. Diese Firmen sind natürlich vor allem am Ausführungsauftrag interessiert und nicht am Projekt. Viele haben auch kaum die notwendigen Planungskapazitäten im eigenen Haus. Der Projektierungsauftrag wird daher oft für ein paar hundert Franken an einen unabhängigen Haustechnikplaner weitergereicht, der gegenüber der Bauherrschaft meistens unsichtbar bleibt.

Speziell bei der Heizungsplanung wird dieses Vorgehen von der Bauherrschaft erfahrungsgemäss in vielen Fällen als unbefriedigend eingestuft. Nicht selten wird ihr von einem Planer, den sie nie sieht, ein Projekt ausgearbeitet, das nie diskutiert wird und das die Bauherrschaft auf keine Art und Weise beurteilen kann. Viel zu viele Fragen bleiben offen.

In reduziertem Mass ist es auch bei der Sanitärplanung angezeigt, ein unabhängiges Planungsbüro beizuziehen, evtl. sogar bei der Elektroplanung. Bei einem freien Büro erhält die Bauherrschaft auf Fragen immerhin unvoreingenommene Antworten. Pro Planungsgebiet (z. B. Heizungsplanung) ist mit Kosten ab etwa 1 000 Franken zu rechnen. Gemäss meinen Erfahrungen findet man gute kleine Büros, die für den genannten Betrag ein Projekt samt Ausschreibungsunterlagen erstellen. In diesem Minimalpreis ist kein Aufwand während der Ausführung enthalten. Derartige Planungen sind für den Anbieter finanziell natürlich nicht besonders interessant. Sie werden aber unter anderem auch darum erbracht, um mit Architekturbüros im Geschäft zu bleiben und vielleicht einmal einen grösseren Auftrag zu erhalten.

.

Der Bauingenieur

Die Tätigkeit des Bauingenieurs bei einem Einfamilienhaus unterscheidet sich nicht grundsätzlich von der Tätigkeit bei einem grösseren Projekt. Für die Honorierung allerdings gelten eigene Gesetze. Für einfache Standardaufgaben wie Einfamilienhäuser haben sich pauschale Tarife eingebürgert, die wesentlich unter den Ansätzen liegen, die sich aus der SIA-Honorarordnung 103 der Bauingenieure errechnen lassen.

.

Honorar Bauingenieur für ein Einfamilienhaus

k8-9a3

Betrachten wir dazu ein Beispiel. Nehmen wir an, bei einem grösseren Einfamilienhaus in Massivbauweise betragen die Kosten der tragenden Bauteile wie Fundamente und Decken etwa 100 000 Fr., was ein üblicher Wert ist. Gemäss der Honorarformel für den Kostentarif ergibt das ein Honorar von über 20 000 Fr., selbst wenn für den Schwierigkeitsgrad ein bescheidener Wert von 0.8 eingesetzt wird. Der Marktpreis für das Bauingenieurhonorar liegt aber wesentlich darunter. Bei grösseren Häusern kann ein grober Richtwert von etwa 6 000 bis 8 000 Fr. angenommen werden, bei kleineren und mittleren von etwa 4 000 bis 5 000 Fr.

Man darf somit das Fazit ziehen, dass bei standardisierten Bauaufgaben wie Einfamilienhäusern die SIA-Honorarordnung 103 (Bauingenieure) kaum von Belang ist. Die Honorare werden aufgrund von Erfahrungswerten pauschal festgelegt.

.

8.9B: Beispiel Honorare im Kostentarif

Der Kostentarif ist in der Praxis die wichtigste Methode der Honorierung von Planungsleistungen. Anhand eines Beispiels aus dem Gebiet des Industriebaus gehen wir näher darauf ein.

.

Ausgangslage

Ein grösseres Industrieunternehmen benötigt für den Ausbau der Geschäftsaktivitäten mehr Raum, und zwar sowohl für anspruchsvolle industrielle Zwecke wie für Büros. Die Bausubstanz auf dem Firmenareal ist historisch gewachsen und teilweise sehr alt. Zuerst erteilt die Geschäftsleitung an eine spezialisierte Beraterfirma den Auftrag, eine baulich-betriebliche Gesamtplanung durchzuführen. Diese Studie soll gewährleisten, dass das Areal langfristig optimal genutzt wird. Resultat dieser Gesamtplanung sind ein Masterplan sowie ein konkretes Massnahmenprogramm, das neben Sanierungen und Neubauten auch Auslagerungen an andere Standorte umfasst. Gesamthaft wird für die Baumassnahmen mit honorarberechtigten Baukosten von knapp 10 Mio. Franken gerechnet, wovon ungefähr 1.5 Mio. Franken Umbauten sind. Das Bauprogramm enthält eine neue Montagehalle mit vielfältigen Betriebseinrichtungen sowie einen grösseren Umbau eines Bürogebäudes. Im weiteren ist eine Modernisierung der bestehenden Infrastruktur des Areals vorgesehen. Geplant ist eine neue Heizzentrale für Warmwasser und Prozesswärme sowie die Erstellung von Installationskanälen im Fabrikareal, da die heutige Medienverteilung den Anforderungen nicht mehr genügt.

Die Bauherrschaft ist in der Planerwahl vollkommen frei. Zunächst holt sie von einem Generalplaner eine Offerte ein. Weil ihr die angebotenen Planerleistungen teuer erscheinen, werden Gespräche mit einigen weiteren Interessenten geführt. Der Kreis wird aber bewusst klein gehalten. Da aus der Phase der Gesamtplanung bereits Pläne und Kostenschätzungen vorhanden sind, können die Gespräche sehr konkret geführt werden. Rasch wird klar, dass neben dem Generalplaner ein Bauingenieur im Vordergrund steht, der auch als Generalplaner auftreten würde. Es wird beschlossen, mit diesen beiden Kandidaten vertiefte Gespräche zu führen.

Nach einer ersten Runde von Verhandlungen sind die Angebote der beiden Planer preislich praktisch identisch. Da auch die Leistungsfähigkeit beider Teams als etwa gleichwertig eingeschätzt wird, fällt die Bauherrschaft den salomonischen Entscheid, beide Bewerber (in unterschiedlichem Masse allerdings) zu berücksichtigen: sie schliesst mit dem Generalplaner einen Generalplanervertrag ab, und darin integriert sind die Statik-Leistungen des Bauingenieurs.

Als Methode für die Honorarberechnung wählt man den klassischen Kostentarif, der in der Praxis weit verbreitet ist. Die Honorarsummen im Planervertrag basieren auf grob geschätzten Baukosten aus der Phase der Projektdefinition. Für die Bemessung der effektiv zu bezahlenden Honorare soll jedoch die Bauabrechnung massgebend sein. Die Werte für den Honorar-Grundprozentsatz p in diesem historischen Beispiel beziehen sich auf den Tarif des Jahres 1991 und dürften etwa dem langjährigen Mittel entsprechen. Heute sind die p-Werte wesentlich höher (siehe Abschnitt 8.3 «Die Honorarberechnung im Kostentarif»; Absatz «Honorar-Grundprozentsatz p»).

.

Ergebnis der Vertragsverhandlungen

Die Vertragsverhandlungen für die Planungsleistungen werden von einem beauftragten Bauherrenberater geführt, der als Projektleiter der Bauherrschaft wirkt. In der nachfolgenden Tabelle sind die Konditionen des abgeschlossenen Vertrags dem ersten Vertragsentwurf gegenübergestellt. Wir gehen auf die wichtigsten Punkte ein.

Gesamthonorar

Das Gesamttotal der Honorare sinkt von 1.70 Mio. Fr. auf 1.26 Mio. Fr. Durch aktive Verhandlungsführung kann somit der Honorarbetrag um etwa einen Viertel reduziert werden. Gemessen an den honorarberechtigten Baukosten von 9.6 Mio. Fr. ergibt sich ein Honorar-Mittelwert von rund 13%.

Architekt

Beim Architektenhonorar haben die Verhandlungen erhebliche finanzielle Auswirkungen. Der Schwierigkeitsgrad n sinkt von 0.9 auf 0.7, der Leistungsanteil q von 100% auf 95%. Ein geringerer Leistungsanteil ist gerechtfertigt, weil (1) bereits gewisse Grundlagen aus der Phase der Projektdefinition vorliegen und (2) die Bauherrschaft durch das bauherrenseitige Projektmanagement einige Aufgaben der Gesamtleitung selber erbringt. Auch auf den ursprünglich vorgesehenen Generalplanerzuschlag von 10% (Korrekturfaktor r = 1.1) wird im Rahmen der Vertragsverhandlungen verzichtet. Der Umbauzuschlag von 35% beim Umbauprojekt wird jedoch beibehalten. Gesamthaft gesehen, vermindert sich das Honorar (Umbauten und Neubauten zusammen) von 0.92 Mio. Fr. auf 0.63 Mio. Fr.

Bauingenieur

Hier wird der Schwierigkeitsgrad n von 0.9 auf 0.75 reduziert, was aus der Sicht des beauftragten Bauingenieurs bei seiner Kostenstruktur vertretbar ist. Das Honorar sinkt von 0.27 Mio. auf 0.22 Mio.

Haustechnik

Zur Haustechnikplanung gehören die Fachgebiete Elektro, Heizung/Lüftung und Sanitär. Die Heizungsplanung ist überdurchschnittlich umfangreich, bedingt durch den Bau einer grossen Heizzentrale. Bei allen Teilgebieten der Haustechnikplanung wirkt sich die Konkurrenzsituation auf die Faktoren in der Honorarformel aus. Der Schwierigkeitsgrad n wird von 1.0 auf 0.95 reduziert. Auch für den Leistungsanteil q werden geringere Werte eingesetzt, da die Ausführungsunterlagen durch die ausführenden Firmen selber erstellt werden. Die Haustechnikplaner beschränken sich lediglich auf eine Kontrolle dieser Unterlagen. Durch die Verlagerung von Leistungen zu den Ausführungsfirmen, was nur teilweise als echte Einsparung betrachtet werden kann, reduziert sich der Leistungsanteil q von 100% auf 83% (Elektroplanung) resp. 85% (übrige Haustechnikplanung). Gesamthaft vermindert sich das Haustechnikhonorar von 0.51 Mio. Fr. auf 0.41 Mio. Fr.

.

Planerhonorare im Kostentarif vor und nach Vertragsverhandlung
(Beispiel Industriebau)

k8-9b1

Ergebnis der Vertragsverhandlung (Honorarangaben in 1 000 Fr.)

k8-9b2

.

Fazit, Empfehlungen

Es lohnt sich in finanzieller Hinsicht zweifellos, die Planungsverträge im Kostentarif zu verhandeln, wobei echtes Verhandeln immer Konkurrenz voraussetzt. Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass der Preis immer nur ein Kriterium unter anderen ist: In erster Linie muss die Qualität der Dienstleistung stimmen.

Erfolgreiche Vertragsverhandlungen bedingen, dass das Projekt in den Grundzügen bereits bekannt ist. Eine vorgängige Projektdefinition (mit Pflichtenheft, Masterplan und dergleichen) ist daher meistens unerlässlich.


Zurück | Weiter

Inhaltsverzeichnis