.

8.9C Beispiel Honorare im Zeittarif

Unter dem Zeittarif verstehen wir die Honorierung nach Aufwand, also im Stundenlohn. Anhand einer grösseren Bauaufgabe aus dem Gebiet des Industriebaus betrachten wir diese selten angewendete Methode etwas näher.

.

Ausgangslage

Ein Industrieunternehmen will seine Produktion umgestalten und erweitern. Das Firmenareal umfasst Gebäude, die mehrheitlich sehr alt sind. Aufgrund einer umfassenden Projektdefinition ist der Umfang der Bauarbeiten, bestehend aus Neu- und Umbauten, bereits vor der Verpflichtung der Bauplaner in den Grundzügen klar. Das Investitionsprogramm umfasst eine Vielzahl von Einzelprojekten. Das grösste Teilprojekt ist der Neubau einer Produktionshalle mit etwa 4–5 Mio. Fr. Baukosten. Weitere Projekte beinhalten Umbauten und Sanierungen (total 3–4 Mio. Fr.) sowie Verbesserungen der Infrastruktur (Strassen, Parkplätze) für etwa 1 Mio. Fr. Gesamthaft wird mit Bauinvestitionen von 8–10 Mio. Fr. gerechnet.

Aus früheren Projekten bestehen bereits Kontakte zu Bauplanern, mit denen man gute Erfahrungen gemacht hat. Man verzichtet daher von Anfang an darauf, für die Planeraufträge Konkurrenzofferten einzuholen. Hingegen stellt man grundsätzliche Überlegungen über die Methode der Honorierung an. Berechnungen der bauherrenseitigen Projektleitung ergeben nämlich, dass vor allem bei den Neubauten eine Honorierung nach Aufwand (Zeittarif) wesentlich attraktiver zu sein scheint als das übliche Honorar im Kostentarif. Es kommt hinzu, dass für die vielen noch nicht genau fassbaren Umbauprojekte eine Honorierung im Kostentarif relativ heikel ist. Die Bauherrschaft entschliesst sich darum, konsequent den Zeittarif anzuwenden. Sämtliche Planer werden für alle Teilleistungen im Zeittarif (also nach Aufwand) honoriert. Gesamthaft ergeben sich dadurch Zeittarifhonorare von über 1 Mio. Fr.

Da man die Planer kennt, scheint dieses Vorgehen vertretbar zu sein. Zusätzlich wird noch eine Sicherung eingebaut, damit der finanzielle Aufwand in einem vertretbaren Rahmen bleibt: es wird eine obere Honorarlimite festgelegt, die nicht überschritten werden darf.

.

Ergebnis nach der Schlussabrechnung

Nach Abschluss des Projektes werden die effektiv bezahlten Honorare mit den mutmasslichen Beträgen verglichen, die im Kostentarif hätten bezahlt werden müssen. Dieser interessante Vergleich ist in der nachfolgenden Tabelle dargestellt. Wir gehen näher darauf ein.

Gesamtprojekt

Für sämtliche Teilprojekte werden total 1.14 Mio. Fr. Honorare im Zeittarif bezahlt. Dies entspricht 13.6% der honorarberechtigten Baukosten von 8.36 Mio., was im Vergleich zu ähnlichen Projekten ein günstiger Prozentsatz ist. Gegenüber der Abrechnung im Kostentarif ergibt sich eine Einsparung von etwa 162 000 Fr. Zeittarif ist somit im dargestellten Beispiel etwa 12% günstiger als Kostentarif.

Architekt

Beim Architekten ergibt sich ein Honorar von 618 000 Fr. im Zeittarif, was nur 7.4% der honorarberechtigten Baukosten entspricht. Die Einsparung gegenüber dem Kostentarif von 757 000 Fr. ist markant und beträgt nicht ganz 140 000 Fr. Die Hauptursache dieser geringen Kosten ist in der Organisation der Projektarbeit zu suchen. Der weitaus grösste Teil der Arbeiten wird von nur zwei Personen geleistet, einem Universalarchitekten (Projekt und Ausführungsplanung) sowie einem Bauleiter.

Bauingenieur

Beim Bauingenieur spart man mit dem Zeittarif (abgerechnet 329 000 Fr.) nichts. Gemäss Tabelle wäre der Kostentarif (318 000 Fr.) sogar etwas günstiger gewesen. Ein genauer Vergleich ist aber nicht möglich, weil auch beim Kostentarif viele Zusatzleistungen nach Aufwand hätten verrechnet werden müssen. Der dafür eingesetzte Betrag (50 000 Fr.) ist nur eine grobe Schätzung.

Elektroplaner

Hier führen Zeittarif und Kostentarif praktisch zum gleichen Resultat. Das Zeittarif-Honorar ist aus zwei Gründen eher hoch: (1) ist für die Elektroplanung eine grössere Planungsfirma beauftragt mit Stundenansätzen, die eher am oberen Rand des Preisspektrums liegen, und (2) die Rechnungskontrolle wird in Absprache mit der Bauherrschaft sehr rigoros durchgeführt, was zeitaufwendig ist (aber auch erhebliche Einsparungen bringt).

Planer für Heizung/Lüftung und Sanitär

Für die gesamte HLS-Planung wird das gleichen Planungsbüro beauftragt. Das Zeittarif-Honorar ist aussergewöhnlich günstig. Die Heizungsplanung kostet 45 000 Fr., was nur 8% der honorarberechtigten Baukosten entspricht. Die Einsparung gegenüber dem Kostentarif von 70 000 Fr. ist somit erheblich. Bei der Sanitärplanung sind die Verhältnisse noch krasser.

Das Zeittarif-Honorar ist unter anderem darum so niedrig, weil das beauftragte HLS-Planungsbüro zu einem günstigen Stundensatz arbeitet. Es besteht aus einem kleinen, jungen Team mit fachlich gut ausgebildeten Leuten. Im Vergleich zum Elektroplaner beispielsweise beträgt der mittlere Stundensatz nur etwa zwei Drittel.

.

Planerhonorare im Zeittarif (Beispiel Industriebau)

k8-9c1

Vergleich Zeittarif – Kostentarif (Honorarangaben in 1 000 Fr.)

k8-9c2

.

Fazit, Empfehlungen

Das Beispiel zeigt, dass die Honorierung im Zeittarif auch bei grossen Projekten eine Überlegung wert sein kann. Interessant dürfte sie namentlich bei Bauvorhaben mit vielen sehr unterschiedlichen Teilprojekten sein. Mit Vorteil hält sich dabei die Bauherrschaft an folgende Empfehlungen:

1. Obere Kostengrenze festlegen

Realistischerweise muss man davon ausgehen, dass beim Zeittarif die Bauherrschaft die Honorarforderungen der Planer kaum kontrollieren kann. Es empfiehlt sich daher, eine obere Kostengrenze festzulegen. Das ist unter Umständen nicht ganz einfach, vor allem bei Projekten, die mit vielen sogenannten Zusatzleistungen (siehe Abschnitt 8.3 «Die Honorarberechnung im Kostentarif»; Absatz «Die Leistungen als Basis der Honorarberechnung») verbunden sind. Möglicherweise muss die Grenze im Laufe des Projekts periodisch angepasst werden.

2. Wenige, aber gute Projektmitarbeiter

Diese Forderung gilt vor allem beim grössten Auftrag, demjenigen des Architekten. Erfahrungsgemäss sind geringe Planungskosten nur mit kleinen Teams möglich. Bei grossen Teams mit ständig wechselnder Besetzung ist der Aufwand nicht unter Kontrolle zu halten. Es ist problemlos möglich, das Doppelte des budgetierten Aufwandes zu «verbraten», wie man gelegentlich etwa in der Planerbranche sagt.

3. Günstige Planer wählen

Es ist keineswegs so, dass sich alle Planer bei der Festlegung ihrer Stundenansätze an die SIA-Tabellen halten. Vor allem noch wenig etablierte Fachleute geben sich mit teilweise erheblich weniger zufrieden. Es ist durchaus möglich, dass in einer Projektorganisation der mittlere Stundensatz des teuersten Fachplaners 50% höher liegt als derjenige des günstigsten. Selbstverständlich muss aber auch beim günstigen Planer die Qualität stimmen.

.

8.9D Beispiel Wiederholung von Bauten

Wie bemisst sich das Architektenhonorar, wenn ein Bauprojekt aus einer Anzahl gleichartiger Einzelbauten besteht, die wiederholt ausgeführt werden? Derartige Honorarfragen, die sich beispielsweise bei der Ausführung von identischen Reihenhäusern stellen, sind erfahrungsgemäss sehr heikel, insbesondere bei der Anwendung des traditionellen Kostentarifs gemäss SIA-Honorarordnung 102. Angeregte Diskussionen ergeben sich vor allem dann, wenn während der Vertragsverhandlungen keine Konkurrenzsituation besteht, die ein marktgerechtes Festlegen des Honorars erleichtert. Anhand eines Beispiels will ich darlegen, mit welchen Grundüberlegungen eine plausible Übereinkunft zum Honorar von wiederholten Bauten gefunden werden kann.

Dieser Abschnitt über den recht seltenen Fall des Wiederholungsrabatts von identischen Bauten richtet sich primär an eine sachkundige Leserschaft.

.

Ausgangslage und Problematik

Wir gehen davon aus, dass eine Wohnbaugenossenschaft eine kleine Siedlung mit 10 Reihenhäusern errichten will. Da die Häuser an die Genossenschafter vermietet werden sollen, ist der Innenausbau überall gleich. Die Anlagekosten ohne Land belaufen sich auf 5 Mio. Fr. für die ganze Siedlung oder 0.5 Mio. Fr. pro Haus. Von diesen Beträgen sind 80% honorarberechtigt. Das Architektenhonorar soll nach Kostentarif gemäss SIA-Honorarordnung 102 berechnet werden (siehe Abschnitt 8.3 «Die Honorarberechnung im Kostentarif»). Die Annahmen für die honorarberechtigten Baukosten B sowie die Faktoren n und q in der Honorarformel sind in folgender Zusammenstellung enthalten.

.

Bauaufgabe: Gleichzeitige Erstellung von 10 identischen Reihenhäusern

k8-9d1

.

Welches Architektenhonorar ist für diese Bauaufgabe angemessen? Die Frage ist nicht so einfach zu beantworten, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag. Um uns an das Thema heranzutasten, kümmern wir uns vorerst nicht um Reihenhäuser, sondern unternehmen einen gedanklichen Ausflug zu einer verwandten Frage: Wie hoch ist das Honorar bei einer Gruppe von zehn völlig unterschiedlichen Einfamilienhäusern?

.

Exkurs 1: Zehn Architekten, zehn verschiedene Häuser

Im Exkurs 1 nehmen wir an, jedes Haus habe eine eigene Bauherrschaft und einen eigenen Architekten und sei somit völlig unabhängig von den übrigen Häusern. Unter dieser Annahme bemisst sich das Honorar pro Haus aufgrund der honorarberechtigten Baukosten von 0.4 Mio. Fr., was den hohen Betrag von 80 800 Fr. ergibt.

k8-9d2

.

Exkurs 2: Ein Architekt, zehn verschiedene Häuse

Im Exkurs 2 gehen wir nun davon aus, dass zwar alle Häuser unterschiedlich seien, aber vom gleichen Architekten im gleichen Zeitraum für die gleiche Bauherrschaft geplant und ausgeführt werden. Aufträge mit mehreren (unterschiedlichen) Bauten sind in der Praxis relativ häufig und in der Honorarordnung klar geregelt (Art. 7.6 SIA 102). Das Honorar wird in diesem Fall aufgrund der honorarberechtigten Gesamtbaukosten ermittelt (nicht zu verwechseln mit den Kosten für einen Bau). Aus nachfolgender Zusammenstellung geht hervor, dass gegenüber Exkurs 1 der Honorar-Grundprozentsatz von 20.2% auf 13.2% sinkt und das Honorar pro Haus von 80 800 Franken auf 52 800 Franken.

k8-9d3

Wir können also das Fazit ziehen, dass das Honorar pro Haus um einen Drittel schrumpft, wenn ein einziger Architekt gleichzeitig zehn völlig verschiedene Häuser plant und nicht für jedes Haus ein separater Architekt verpflichtet wird. Wie sieht es aber aus, wenn die Häuser alle identisch sind? Der Serieneffekt vereinfacht zweifellos die Architektenarbeit und muss sich auch irgendwie im Honorar niederschlagen.

Die SIA-Honorarordnung 102 bleibt diesbezüglich sehr vage. Es wird lediglich ausgeführt, dass bei mehreren gleichen Bauten das Honorar mittels eines Korrekturfaktors ermässigt werden könne, «wenn eine eindeutige Vereinfachung der Leistungen des Architekten zu erwarten ist» (Art. 7.7 SIA 102). Wie dieser Korrekturfaktor zu ermitteln sei, wird allerdings nicht gesagt.

.

Grundüberlegung: Gesamtauftrag in Teilaufträge aufteilen

Kehren wir nach diesen Exkursen zur Frage zurück, wie für zehn identische Reihenhäuser das Honorar festgelegt werden kann. Gemäss meinen Erfahrungen kann eine brauchbare Verständigungsbasis für die Bemessung des Wiederholungsrabatts bei mehreren gleichen Bauten geschaffen werden, indem man den Gesamtauftrag gedanklich in drei Teilaufträge aufteilt. Man nimmt also an, dass drei verschiedene Architekten je einen Teilauftrag bearbeiten, nämlich (1) Projektierung, (2) Ausführungsplanung / Kostenwesen und (3) Bauleitung. Für jeden Teilauftrag untersuchen wir im folgenden, welchen Einfluss der Serieneffekt auf das Honorar hat. Wir werden sehen, dass er sich vor allem beim zweiten Teilauftrag auswirkt.

Die Aufsplittung der Architektenleistung in Teilaufträge ist übrigens keineswegs eine theoretische Spielerei, sondern kann in der Praxis je nach den Umständen durchaus in Erwägung gezogen werden.

Teilauftrag 1: Projektierung

Dieser Teilauftrag beinhaltet alle Teilleistungen q aus den Phasen Vorprojekt und Bauprojekt mit Ausnahme des Kostenvoranschlags, gesamthaft 28% (siehe dazu auch die Leistungstabelle). Für die Projektierung spielt der Serieneffekt praktisch keine Rolle. Das Honorar bemisst sich daher gemäss der Honorarformel und wird nicht reduziert.

k8-9d4

.

Teilauftrag 2: Ausführungsplanung/Kostenwesen

Dieser Teilauftrag beinhaltet das Erstellen der Ausführungspläne sowie das Kostenwesen, was einen Leistungsanteil q von 38% ergibt. Hier spielt der Serieneffekt eine sehr grosse Rolle. Besonders anschaulich zeigt sich die Vereinfachung der Arbeit bei den Ausführungsplänen. Ein Plansatz für ein einziges Haus genügt, bei den übrigen Häusern sind lediglich Anpassungen notwendig. Mit den heutigen CAD-Hilfsmitteln sind derartige Modifikationen kaum mehr ein Problem. Auch beim Kostenwesen reicht es im Prinzip aus, sich auf ein Haus zu beschränken: Kostenvoranschlag, Ausschreibungsunterlagen, Verträge oder Schlussabrechnung sind für zehn Häuser nicht wesentlich aufwendiger als für ein Haus.

Das Honorar für den Teilauftrag 2 basiert somit auf der Leistung für ein Haus (30 704 Fr.). Für die übrigen Häuser wird pro Haus lediglich ein fixer Betrag von angenommen 5 000 Fr. für Änderungen in die Rechnung eingesetzt. Dies entspricht gut 15% des Honorars des ersten Hauses.

k8-9d5

.

Teilauftrag 3: Bauleitung

Dieser Teilauftrag beinhaltet primär die örtliche Bauleitung sowie die gestalterische Leitung. Der Leistungsanteil q beträgt 34%. Obwohl die genannten Tätigkeiten fachlich sehr unterschiedlich sind und meistens von verschiedenen Personen wahrgenommen werden, ist es sinnvoll, sie für die Ermittlung des Honorars zusammen zu betrachten. Beim Teilauftrag 3 spielt der Serieneffekt nur eine bescheidene Rolle. Die Bauleitung muss für jedes Haus erbracht werden. Allerdings sind gewisse Vereinfachungen möglich, indem beispielsweise nur ein Haus ausgemessen wird (und nicht alle zehn, da sie ja identisch sind). Wir nehmen deshalb an, dass durch den Serieneffekt das Honorar für den Teilauftrag 3, bezogen auf die Honorarformel, um 10% reduziert werden kann.

k8-9d6

.

Resultat

Nun können wir die Teilhonorare für Projektierung, Ausführung und Bauleitung zusammenzählen. Wir kommen auf eine Summe von 385 112 Fr. In diesem Betrag sind die Vereinfachungen infolge des Serieneffekts berücksichtigt. Wenn alle Häuser unterschiedlich gewesen wären, hätte (gemäss Exkurs 2) das Honorar 528 000 Fr. betragen. Für die Wiederholung der Bauten ist somit ein Korrekturfaktor r von 73% in die Honorarformel einzusetzen. Der Wiederholungsrabatt beträgt 27%.

k8-9d7

In der nachfolgenden Tabelle sind im Sinne einer Zusammenfassung nochmals alle Honorarfaktoren aufgeführt, die für die Bemessung des Honorars von zehn identischen Reihenhäusern massgebend sind.

k8-9d8

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass in der alten SIA-Honorarordnung 102 von 1969 detailliertere Angaben für die Honorargestaltung bei Wiederholung von Bauten enthalten gewesen sind als in der aktuellen Ausgabe von 1985. Bei zwei gleichen Bauten hat der Wiederholungsrabatt 10% betragen, bei drei gleichen Bauten 11% und so weiter. Für zehn gleiche Bauten kann man der Liste einen Rabatt von 20% entnehmen. Die in obigem Beispiel berechneten 27% Wiederholungsrabatt bei zehn gleichen Bauten sind also nicht allzuweit entfernt von den alten Empfehlungen.


Zurück | Weiter

Inhaltsverzeichnis